Viel wurde schon geschrieben über menschliche Motivation und insbesondere die Motivation von Mitarbeitern. Die beste und kürzeste Zusammenfassung dazu stammt von Douglas McGregor, der mit seinem Buch „The Human Side of Enterprise“ und seinen Menschenbildern der X‑Y-Theorie ganz wesentlich auch mein Manifest für menschliche Führung geprägt hat:
The answer to the question managers so often ask of behavioral scientists „How do you motivate people?“ is, „You don’t.“
Douglas McGregor, 1966. Leadership and motivation: essays
McGregor meint damit natürlich nicht, dass Menschen grundsätzlich unmotiviert sind. Wir alle haben schon erlebt, wie es ist, sich für etwas begeistern zu können und für etwas so richtig zu brennen und bei der Arbeit daran oder dem Spiel damit so richtig in jenen Zustand zu kommen, den der Psychologe und Autor Mihály Csíkszentmihályi als „Flow“ beschrieb. Ohne Zweifel gibt es sie also, diese menschliche Motivation.
Das war allerdings auch nicht die Frage. Die Frage war, wie man von außen, Motivation in anderen Menschen wecken kann. Und darauf, gibt es laut Douglas McGregor nur eine richtige Antwort: Gar nicht! Echte Motivation kommt immer von innen. Äußere Anreize sorgen höchstens für Bewegung, aber nie für Motivation.
Die Grundlage für diese Erkenntnis ist auch für Douglas McGregor der 1943 erschienene bahnbrechende Artikel von Abraham Maslow „A Theory of Human Motivation“. Maslow gliederte darin die menschlichen Bedürfnisse in verschiedene Kategorien und brachte sie in eine Rangfolge. Die Basis bilden demnach elementare physiologische Bedürfnisse wie Essen und Trinken. Diesen folgen grundlegende Bedürfnisse nach körperlicher und seelischer Sicherheit und einer materiellen Grundsicherung. Als nächstes kommen soziale Bedürfnisse wie Zugehörigkeit, Freundschaft und Kommunikation und anschließend Individualbedürfnisse zu denen Maslow Vertrauen, Wertschätzung, Selbstbestätigung, Erfolg, Freiheit und Unabhängigkeit zählt.
Diese ersten vier nennt Maslow Mangelbedürfnisse, weil die Nichterfüllung einerseits zu körperlichen oder seelischen Schäden führt und andererseits aber die Übererfüllung dieser Bedürfnisse ab einem gewissen Sättigungsgrad keinen zusätzlichen Nutzen mehr bringt. Demgegenüber sieht er in der Selbstverwirklichung, also dem Streben des Menschen seine Talente, Potenziale und Kreativität zu entfalten, sich weiterzuentwickeln, sein Leben zu gestalten und ihm einen Sinn zu geben, ein prinzipiell unstillbares Wachstumsbedürfnis.
Man is a perpetually wanting animal.
Abraham Maslow: A Theory of Human Motivation, 1943
Diese Bedürfnisse bauen laut Maslow zwar aufeinander auf, aber nirgendwo in seinen Arbeiten steht, dass erst die Bedürfnisse auf niedrigerer Stufe 100% erfüllt sein müssen, damit die auf der nächsten Stufe relevant werden. Und obwohl er genau dieses mögliche Missverständnis schon im Originalartikel von 1943 anspricht, hält sich trotzdem hartnäckig die Darstellung als Bedürfnispyramide. Tatsächlich sind die Bedürfnisse in verschiedener Intensität immer gleichzeitig vorhanden und deshalb eignet sich diese Darstellung besser:
Natürlich lassen sich Menschen bewegen, wenn sie physisch oder psychisch bedrängt werden. Das wusste schon der römische Kaiser Caligula, der mit seinem Motto oderint, dum metuant (zu dt.: Sollen sie mich doch hassen, solange sie mich fürchten) zum Inbegriff des autokratischen Gewaltherrschers wurde und dem noch viele auf diesen Pfad in die menschlichen Abgründe folgten. Entsprechend lehnen die meisten Menschen heute diese Art von negativen Anreizen ab. Mit positiven Anreizen in Form von Prämien und Boni haben hingegen die wenigstens ein Problem, obwohl diese dieselben Mechanismen bedienen und bei den allermeisten Tätigkeiten nachweislich nicht zu besserer Leistung führen.
Der Arbeitswissenschaftler und Psychologe Frederick Herzberg spricht deshalb in seinem 1968 erschienenen Artikel „One More Time: How Do You Motivate Employees?“ auch sehr deutlich von Vergewaltigung (negative Anreize) einerseits und Verführung (positive Anreize) andererseits. Diese Art von Anreizen wirken in dem Sinne, dass sie zu einer gewünschten Bewegung führen, aber ihre Wirkung ist immer nur kurzfristig: bis der Schmerz nachlässt oder bis sich der Effekt der Belohnung durch Gewöhnung abgenutzt hat. Entsprechend müssen diese Anreize immer wieder (in immer höherer) Dosierung gesetzt werden. Wie bei einer Batterie, die immer wieder neu aufgeladen werden muss. Echte Motivation hingegen kommt ohne Energiezufuhr von außen aus und funktioniert wie ein innerer Generator:
Similarly, I can charge a person’s battery, and then recharge it, and recharge it again. But it is only when one has a generator of one’s own that we can talk about motivation. One then needs no outside stimulation. One wants to do it.
Frederick Herzberg, 1968. One More Time: How Do You Motivate Employees?
Frederick Herzberg unterscheidet ähnlich wie Abraham Maslow, auf dessen Vorarbeit er wie Douglas McGregor auch aufbaut, zwei Arten von Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit von Mitarbeitern. Die sogenannten Hygienefaktoren entsprechen den Mangelbedürfnissen bei Maslow, d.h. ihr Fehlen führt zu Demotivation, aber ab einem gewissen Grad der Sättigung stellen sie keinen zusätzlichen Anreiz mehr dar.
Während diese Hygienefaktoren meist das Arbeitsumfeld (Beziehungen, Bürokratie, Bezahlung, etc.) betreffen, kommen die Motivatoren schwerpunktmäßig aus dem Arbeitsinhalt (Erfolge, Anerkennung, Verantwortung, persönliches Wachstum, etc.). Ihr Fehlen führt nach Herzberg nicht automatisch zu Demotivation, aber eine Erhöhung dieser Faktoren fördert die intrinsische Motivation. In seinem Artikel fasst Herzberg die wesentlichen Hygienefaktoren und Motivatoren aus mehreren Studien in der folgenden Grafik zusammen:
Entsprechend rät Herzberg dazu, auf die Hygienefaktoren, zu denen insbesondere auch das Gehalt zählt, nur insoweit zu achten, dass sie nicht mehr stören. Echte Motivation muss von innen kommen und geht nur über die menschlichen Wachstumsbedürfnisse. Motivierte Mitarbeiter bekommt, wer den Menschen die Gelegenheit zur Entfaltung und zum Wachstum bietet bei Tätigkeiten, die zu Anerkennung (recognition) einerseits und zum Gefühl eines sinnvollen Beitrags (Achievement) andererseits führen. Nicht zuletzt deshalb heißt die erste These des Manifests für menschliche Führung: Entfaltung menschlichen Potentials mehr als Einsatz menschlicher Ressourcen.
3 Kommentare
Wäre es da nicht an der Zeit, diesen Mythos der externen Motivation ein für alle Mal aus der Lehre an den Hochschulen und Managerseminaren zu verbannen. Es ist doch nichts außer Scharlantanerie, was da erzählt wird und diejenigen, welche es anwenden, sehen das es nicht funktioniert. Was tun sie darauf? Sie verstärken die Maßnahmen, weil sie glauben, die Dröhnung war nicht genug. Sie sind nicht fähig einzusehen, daß dies ein Mythos ist.
Sehr richtig, aber die Mär von externer Motivation hält sich nachhaltig. Teilweise auch, weil das tägliche Erlebnis mit Mitarbeitern den Schluss nahelegt, dass sie unmotiviert wären. Das ist freilich nur eine Reaktion auf das System / den Kontext. In meinem Garten kann es ja auch sein, dass die Tomaten nicht wachsen, aber schreie ich deshalb die Tomate an?
Ohne eine positive Haltung den Menschen gegenüber – und ich verwende bewusst nicht Mitarbeiter*innen – brauchen wir immer noch Verhaltenstherapie.
Zuckerbrot und Peitsche.