Alle Jahre wieder … kommt die Leistungsbewertung auf die Mitarbeiter nieder. Die meisten Organisationen kennen und schätzen – wie auch schon das Schulsystem – nur Einzelleistung. Agilität ist aber ein Teamsport. Was zählt, ist die Leistung des Teams. Wie kann man da individuelle Leistung beurteilen? Und soll man das überhaupt?
Das Team ist alles
Wer individuelle Leistungsbeiträge misst und davon abhängig mehr oder weniger Belohnung verteilt, erhält dadurch für jede nicht-triviale Aufgabe nicht nur nachweislich schlechtere Ergebnisse, sondern stört insbesondere das Teamgefüge nachhaltig. Jeder kümmert sich dann vorrangig um den eigenen Verantwortungsbereich. Diese lose Gruppe von mittelmäßigen Solisten ergibt aber noch lange kein gutes Orchester.
Ja, aber …
Was ist mit „Minderleistern“? Und was ist mit Key-Playern? Wie lassen sich Erstere bestrafen und Letztere belohnen? Die einzig richtige Antwort darauf hat Douglas McGregor schon vor langer Zeit gegeben: Gar nicht oder jedenfalls nicht zum Zwecke der Motivation.
The answer to the question managers so often ask of behavioral scientists „How do you motivate people?“ is, „You don’t.“
Douglas McGregor, 1966. Leadership and motivation: essays
Natürlich wird es Unterschiede im Team geben. Allein die Fertigkeiten und Neigungen der Mitglieder werden sich in einem agilen Team unterscheiden. Diese Interdisziplinarität ist ein essenzielles Prinzip der Agilität. In einem guten Team ist jeder wichtig und leistet jeder einen wichtigen Beitrag, der aber mit den Beiträgen der anderen nicht vergleichbar ist.
Ja aber was, wenn das Team mal nicht so gut funktioniert? Klar ist: Nicht immer werden alle Mitglieder ihre beste Leistung abrufen können. Wir alle sind nur Menschen und haben Lebensumstände, die uns beflügeln oder belasten könnten. Unsere Tagesform schwankt. Wenn sich aber über längere Zeit zeigt, dass sich Menschen im Team nicht wohlfühlen und ihr Potenzial dort nur schlecht entfalten können, gilt es zunächst die Gründe dafür herauszufinden. Einfach nur „Minderleistung“ zu diagnostizieren und zu bestrafen ist in etwa so sinnvoll, wie die verkümmerte Tomate im Garten anzuschreien und ihr den Dünger zu kürzen.
Why do you hire dead wood? Or why do you hire live wood and kill it?
Peter Scholtes (1997). The Leader’s Handbook (S. 331)
Grundsätzlich gilt auch in diesen Fällen das Prinzip der Selbstorganisation des Teams. Das Team erkennt die Störung der Leistung selbst am besten und kann das in einer Umgebung der psychologischen Sicherheit beispielsweise im Rahmen einer Retrospektive ansprechen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Diese psychologische Sicherheit zu gewährleisten und einen konstruktiven Umgang mit der Herausforderung jenseits von Schuldzuweisungen zu ermöglichen, erfordert aber einen erfahrenen Scrum-Master als Coach.
Solange man Helden oder Schuldige braucht, um eine Situation plausibel zu erklären, hat man sie noch nicht verstanden.
Gerhard Wohland
Ja, aber die herausragenden Key-Player sollen doch belohnt werden! In einer gesunden Organisation haben diese ihre guten Leistungen hoffentlich aus Freude an der Leistung und am Erfolg des Teams und der Organisation erbracht. Dafür erhielten sie in einer gesunden Kultur hoffentlich neidlose Anerkennung durch Kollegen und Vorgesetzte. Wenn es also umgekehrt notwendig erscheint, Key-Player für ihre Leistung zu belohnen, verdeckt das nur tieferliegende Probleme in der Organisation und ihrer Kultur.
Das Team ist doch nicht alles
Die meisten Organisationen bestehen aus mehr als einem Team. Und der Output der Organisation ist das Ergebnis der erfolgreichen Zusammenarbeit der Teams. Eine individuelle Bewertung allein durch die Bewertung der Teamleistung zu ersetzen ist also auch nur mittelgut. Ein Team ist erst dann ein Spitzenteam, wenn es auch Verantwortung für das größere Ganze übernimmt indem es einerseits anderen Teams hilft und andererseits Beiträge zur Weiterentwicklung von querschnittlichen Aspekten (beispielsweise Security, Prozesse, Architektur) in entsprechenden Communities of Practice leistet.
4 Kommentare
Zitat
„Wenn es also umgekehrt notwendig erscheint, Key-Player für ihre Leistung zu belohnen, verdeckt das nur tieferliegende Probleme in der Organisation und ihrer Kultur. “
Ich denke da steckt kein Problem sondern eine andere Weltsicht bzw. Perspektive dahinter, ich schreibe dazu in den nächsten Tagen noch ausführlicher was dazu.
Entschuldige die furchtbare Grammatik in meinem Kommentar, ich war in Gedanken schon bei der Formulierung des längeren Textes.
Ja, das kann gut sein, Eberhard! Bin gespannt auf deinen Beitrag.
Habt ihr in eurer Firma auch bereits agile Methoden eingeführt? Und wurden eure Erwartungen direkt erfüllt oder ging es auch erst einmal bergab?