Individuen und Interaktionen mehr als Prozesse und Werkzeuge. Dieser erste Satz des Agilen Manifests beschreibt die agile Kultur ohne allerdings konkret zu werden, wie die Zusammenarbeit der Individuen aussehen und auf welchen Werten sie basieren könnte – nur weniger prozessgetrieben und werkzeuglastig soll sie sein. Umso wichtiger ist es für Unternehmen, die sich auf den Weg einer agilen Transition machen oder sich schon befinden, sich mit dieser Frage der Kultur auseinanderzusetzen: Wie wollen wir hier künftig zusammenarbeiten?
Wie so oft bei Fragen der Kultur ist es zunächst einfacher die negativ zu bestimmen, also zu formulieren, wie etwas nicht sein soll. Eine Angstkultur führt beispielsweise zum Vertuschen von Fehlern und zu permanenter Absicherung. Beides behindert die Agilität, weil es das gemeinsame Verbessern von Prozess und Produkt lähmt. Hierarchisches Management im tayloristischen Sinne von Kommando und Kontrolle untergräbt die Eigenverantwortung des Individuums und des Teams. Die Zusammenarbeit findet besser auf Augenhöhe statt. Führung muss das Ziel der Selbstführung und einen dienenden Charakter haben. Zusammengefasst ergeben sich daraus für mich die Kernwerte Respekt, Vertrauen und Offenheit.
Great leaders are willing to sacrifice the numbers to save the people. Poor leaders sacrifice the people to save the numbers.
Simon Sinek
Respekt
Im agilen Manifest heißt es ganz bewusst „Individuen“. Es geht um Menschen und um das was Menschen einzigartig macht: ihre individuellen Begabungen und ihre Fähigkeit und ihre intrinsische Motivation, gemeinsam Großartiges zu schaffen. Hier begegnen sich erwachsene, motivierte und talentierte Menschen auf Augenhöhe. Die Menschen sind eben nicht auf ihre Rollen im Prozess reduzierte Ressourcen.
This world of ours […] must avoid becoming a community of dreadful fear and hate, and be, instead, a proud confederation of mutual trust and respect.
Dwight D. Eisenhower
Vertrauen
Agil bedeutet wendig und Wendigkeit ist nur da sinnvoll, wo das Ziel nicht klar ist. Agilität hat also immer mit Unsicherheit und Komplexität zu tun. Planung und Kontrolle, was viele Organisationen über Jahrzehnte in behäbigen Märkten perfektioniert haben, versagen in diesen Situationen (die mittlerweile die Regel sind). Die Problemstellung muss in kleinen Schritten gemeinsam erkundet werden. Dazu braucht es Vertrauen in die Fähigkeiten der Individuen, in Zusammenarbeit Lösungen zu finden.
When the trust account is high, communication is easy, instant, and effective.
Stephen R. Covey
Offenheit
Agilität basiert auf kontinuierlichem Lernen, Anpassen und Verbessern des Produkts genauso wie des Prozesses der Zusammenarbeit. Das setzt aber einen offenen Umgang mit Feedback und insbesondere mit negativem Feedback voraus. Irrtümer sind keine Probleme, sondern der Beginn der Verbesserung.
There is a belief in the company that if you don’t fail often enough, you’re not trying hard enough.
Gopi Kallayil, Chief Evangelist bei Google
8 Kommentare
Hallo Marcus,
mir persönlich fehlen da noch drei Werte, die ich dazu stellen würde: Mut, Ehrlichkeit und direkte Kommunikation.
Mutig sein: sich auf Agiles Vorgehen einzulassen oder ein Experiment zu starten, das auch fehl schlagen kann, oder Verantwortung abzugeben.
Ehrlichkeit: mir selber und dem Team gegenüber, im Daily einzugestehen, dass ich Hilfe brauche, oder dass ich länger als geplant für eine Aufgabe benötige.
Direkte Kommunikation: nicht mehr Aufgaben über die Mauer zu schmeissen und hoffen, das was Gutes bei rum kommt, im Gespräch klären, was erwartet wird oder wurde.
Ich würde „diese Drei“ gleichwertig zu Deinen Werten sehen, und deshalb würde es mich interessieren, warum Du Dich auf „Deine Drei“ beschränkt hast.
Schöne Grüße,
Hannes
Vielen Dank für deine Ergänzung, lieber Hannes. Die drei von dir genannten Aspekte finde ich auch sehr wichtig, sehe ich aber in meiner Auswahl enthalten: Mutig sind die Menschen nur, wenn Vertrauen herrscht, Ehrlichkeit hätte ich unter Offenheit gesehen (aber vergessen zu schreiben) und direkte Kommunikation ist meiner Meinung nach eher die logische Folge bzw. die Form in der sich diese Werte dann äußern.
Kann ich gut nachvollziehen. Ich erlebe zur Zeit einen Kulturwandel, der aufzeigt, dass man einen langen Atem haben muss und deshalb manchmal die Dinge auch mehrfach genannt werden müssen :-) Deshalb war die Ergänzung mir wichtig.
Oh ja, steter Tropfen höhlt den Stein. Deswegen bin ich dir sehr dankbar für deine Ergänzungen!
Hi Marcus,
Vielleicht als weitere Ergänzung noch die Wertschätzung von Freiwilligkeit. Wahrscheinlich steckt das auch implizit in den genannten Werten, und ist auch nur nicht explizit erwähnt worden. Aber meiner Meinung nach warden die oben genannten Werte nur durch eine Frewilligkeit lebbar, da sie nicht durch von außen gesetzte Anreize oder Bestrafungen erzwungen werden können.
Gruß,
Dennis
Danke für deine ganz wichtige Ergänzung des Aspekts der Freiwilligkeit. Ist für mich tatsächlich eine implizite Voraussetzung gewesen: Führung zur Selbstführung wie Götz W. Werner das nennt. Und bei Peter F. Drucker heißt es auch schon ganz explizit, dass Wissensarbeiter wie Freiwillige geführt werden müssen.
Im agilen Manifest bzw. den zugehörigen Prinzipien heißt es ja auch „Build projects around motivated individuals“ und dass man ihnen die Umgebung und Unterstützung geben soll, die sie benötigen. Das passt ziemlich gut zu dem, was du sagst, denn mit Zwang erreicht man das nicht.
Sehr richtig. Darum ist mir der Begriff der dienenden Führung auch so wichtig.