Die Corona-Pandemie: New Work Turbo oder Strohfeuer?

Die Coro­na-Pan­de­mie krem­pelt die Arbeits­welt gera­de in vie­len Belan­gen um. Doch was und wie­viel davon in der „Post-Coro­na-Welt“ Bestand haben wird und was dann doch wie­der schnell und bereit­wil­lig alten Gewohn­hei­ten zum Opfer fal­len wird, ist fraglich.

New Work ist schon eine gan­ze Wei­le in aller Mun­de. Wie mit ande­ren Buz­zwords geht die­se All­ge­gen­wär­tig­keit ein­her mit der Ver­wäs­se­rung der Bedeu­tung. Kaum jemand gebraucht den Begriff heu­te im enge­ren Sin­ne der Defi­ni­ti­on von Fri­th­jof Berg­mann. Das ist zunächst auch kein Pro­blem, solan­ge das, was dar­un­ter ver­stan­den wird noch den zen­tra­len Wer­ten ent­spricht, die Berg­mann damit ver­wirk­li­chen woll­te: Selbst­stän­dig­keit, Frei­heit und Teil­ha­be an Gemein­schaft. Lei­der ist das nicht über­all der Fall und vie­ler­orts bedeu­tet New Work eher „Lip­stick on the Pig“ in Form von Wand­far­be, Sitz­sä­cken und Tischkickern.

Know­ledge workers can­not be mana­ged as sub­or­di­na­tes; they are asso­cia­tes. They are seni­ors or juni­ors but not supe­ri­ors and subordinates.

Peter F. Dru­cker, Management’s New Para­digm, 1998

Die Aus­ein­an­der­set­zung mit „Old Work“, also den Arbeits­be­din­gun­gen und der Füh­rungs­hal­tung, die im Wesent­li­chen noch auf Fre­de­rick Win­slow Tay­lor zurück­ge­hen und die wir im Lau­fe der Zeit von der Indus­trie­ar­beit unhin­ter­fragt auf die Wis­sens­ar­beit über­tra­gen haben, ist über­fäl­lig. Die­se Erkennt­nis ist kei­nes­wegs neu, son­dern war schon die zen­tra­le For­de­rung bei Peter F. Dru­cker als er Wis­sens­ar­beit erst­ma­lig beschrieb. New Work ist in die­sem Sin­ne ein will­kom­me­ner und längst über­fäl­li­ger Schritt hin zu einer „art­ge­rech­te­ren Hal­tung“ und men­schen­wür­di­ge­ren Arbeit im Sin­ne des Mani­fests für mensch­li­che Füh­rung (Ama­zon Affi­lia­te-Link).

Nicht ohne Grund heißt mei­ne ers­te The­se im Mani­fest „Ent­fal­tung mensch­li­chen Poten­zi­als mehr als Ein­satz mensch­li­cher Res­sour­cen.“ Dar­in sehe ich den Kern und den Auf­trag von New Work: Einen Rah­men zu schaf­fen für die Ent­fal­tung des Men­schen in sei­ner Einzigartigkeit.

Turbo oder Strohfeuer?

Die Digi­ta­li­sie­rung wird der­zeit nicht so sehr von CDO, CIO oder CEO vor­an­ge­trie­ben, son­dern von COVID-19. Die Pan­de­mie beschleu­nigt vie­le Entwicklungen. 

Das ver­teil­te, orts­un­ab­hän­gi­ge und zeit­un­ab­hän­gi­ge Arbei­ten ist eine sol­che Ent­wick­lung, jeden­falls für die aller­meis­ten Wis­sens­ar­bei­ter. Die­se neue Fle­xi­bi­li­tät ist eigent­lich eine gute Sache für den Ein­zel­nen, die Gesell­schaft und nicht zuletzt für die Umwelt. Die Pan­de­mie schafft also ein Stück der Frei­heit und Unab­hän­gig­keit die New Work anstrebt. Einerseits.

Ande­rer­seits ist die­se Fle­xi­bi­li­tät aus der Not gebo­ren und die­ser Makel haf­tet ihr auch an. Job, Kin­der­be­treu­ung und Home­schoo­ling irgend­wie in 24h und in den eige­nen vier Wän­de unter­zu­brin­gen ist ver­dammt anstren­gend und fühlt sich dann gar nicht mehr fle­xi­bel an. Ein gere­gel­ter Arbeits­tag in einem ruhi­gen Büro wird unter die­sen Umstän­den zum Sehn­suchts­ort. Die erzwun­ge­ne und abrup­te Bewe­gung zu ver­teil­ter Arbeit wird zu einer Gegen­be­we­gung zurück in die Büros füh­ren. Home­of­fice wird nach der Pan­de­mie wei­ter mög­lich sein, aber wie vor­her wie­der von zweit­ran­gi­ger Bedeu­tung und Wertigkeit.

Der größ­te Feind des Fort­schritts ist nicht der Irr­tum, son­dern die Trägheit.

Hen­ry Tho­mas Buckle

Ver­teil­te Zusam­men­ar­beit mit vie­len digi­ta­len Tools wird nun seit einem Jahr ein­ge­übt und lang­sam stellt sich eine gewis­se pro­duk­ti­ve Rou­ti­ne ein. Die­se Tools und die jetzt erlern­ten Fer­tig­kei­ten wer­den künf­tig die eine oder ande­re Dienst­rei­se erset­zen, aber nicht die täg­li­che Zusam­men­ar­beit umkrem­peln. Vie­len wird jetzt die Qua­li­tät und Viel­schich­tig­keit eines per­sön­li­chen Tref­fens und der Zusam­men­ar­beit in einem Raum sehr bewusst.

Sosehr ich mir eine Dis­kus­si­on über Fle­xi­bi­li­tät und Unab­hän­gig­keit im All­ge­mei­nen und über die bes­se­re Ver­ein­bar­keit von Beruf und Fami­lie (auch und gera­de für Män­ner) im Spe­zi­el­len wün­sche und sosehr ich Expe­ri­men­te wie 5h-Arbeits­ta­ge bei vol­lem Lohn­aus­gleich bewun­dernd ver­fol­ge, bin ich mir nicht sicher, ob die Coro­na-Pan­de­mie und unser Umgang damit die­se Ten­den­zen wirk­lich ver­stärkt. Ich befürch­te eher, dass wir nach der Pan­de­mie bereit­wil­lig in die alten Mus­ter zurück­fal­len, froh über­haupt noch einen Job zu haben und end­lich wie­der nor­mal arbei­ten zu können.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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