Die Tomate und der Gärtner

Wer die beste Tomate zum Gärtner befördert, verliert meist eine herausragende Fachkraft und gewinnt eine höchstens mittelmäßige Führungskraft.

Der klas­si­sche Ent­wick­lungs­pfad in tra­di­tio­nel­len Unter­neh­men folgt einer recht simp­len Logik. Wer als Fach­kraft her­aus­ra­gen­de Leis­tun­gen voll­bringt, wird beför­dert zur Füh­rungs­kraft. Es scheint fast, als wären Füh­rungs­qua­li­tä­ten wie Empa­thie und Ver­trau­en zweit­ran­gig gegen­über der fach­li­chen Qua­li­fi­ka­ti­on. So bleibt der frisch-geba­cke­ne Chef dann nicht sel­ten sein bes­ter Mit­ar­bei­ter und behin­dert dadurch sich und sein Team im Vorankommen. 

Lea­der­ship real­ly isn’t about you. It’s about empowe­ring other peo­p­le as a result of your pre­sence, and about making sure that the impact of your lea­der­ship con­ti­nues into your absence. 

(Frei & Mor­ris, 2020)

Die Auf­ga­be der Toma­ten­pflan­ze ist es zu wach­sen und Toma­ten zu pro­du­zie­ren, der Gärt­ner schafft die nöti­gen Rah­men­be­din­gun­gen dafür. Die Auf­ga­be der Fach­kraft ist es, Wis­sen und Erfah­rung zu sam­meln, um mit die­ser Exper­ti­se Pro­ble­me zu lösen und letzt­lich Wert zu gene­rie­ren. Füh­rung schafft den rich­ti­gen Rah­men, in dem die­se Arbeit heu­te gelingt und mor­gen und über­mor­gen noch bes­ser gelin­gen kann. Ins­be­son­de­re sorgt Füh­rung für Aus­rich­tung und Fokus, also dafür, dass die Lei­ter sprich­wört­lich an der rich­ti­gen Wand lehnt und so die ein­ge­setz­te Arbeit Sinn ergibt und Nut­zen stiftet.

As a lea­der, a lot of your job is to make tho­se peo­p­le suc­cessful. It’s less about try­ing to be suc­cessful (yours­elf), and more about making sure you have good peo­p­le and your work is to remo­ve that bar­ri­er, remo­ve road­blocks for them so that they can be suc­cessful in what they do.

Sun­dar Pichai, CEO von Goog­le zitiert in (Ghoshal, 2017)

Gute Füh­rung hat eine Hebel­wir­kung, indem sie ande­re erfolg­reich und wirk­sam macht. Füh­rungs­kräf­te, die zu sehr Fach­kräf­te – und im schlimms­ten Fall sogar ihre bes­ten Mit­ar­bei­ter – blei­ben, ver­nach­läs­si­gen die­se Hebel­wir­kung und damit ihre eigent­li­che (neue) Auf­ga­be. Aus der bes­ten Toma­te wird nicht ein­fach ein guter Gärt­ner, höchs­tens eine Art Seni­or-Toma­te, die den Juni­or-Toma­ten das Hand­werk erklärt und sich dabei in die­ser Exper­ten­rol­le mehr gefällt als es ihrem und dem Wachs­tum der ihr anver­trau­ten Mit­ar­bei­ter zuträg­lich ist.

Literatur

Frei, F. X., & Mor­ris, A. (2020). Begin with Trust. Har­vard Busi­ness Review, May-June 2020. https://hbr.org/2020/05/begin-with-trust

Ghoshal, D. (2017, Janu­ar 6). „Let others suc­ceed“: Goog­le CEO Sun­dar Pichai’s simp­le but effec­ti­ve lea­der­ship style [Quartz India]. https://qz.com/india/879633/let-others-succeed-google-ceo-sundar-pichais-simple-but-effective-leadership-style/



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6 Kommentare

Mario 18. Oktober 2021 Antworten

Ein super Ver­gleich und lei­der immer noch All­tag in deut­schen Unter­neh­men, inbe­son­de­re im Mit­tel­stand. Dan­ke für die Metapher!

Marcus Raitner 27. Oktober 2021 Antworten

Dan­ke. Nicht nur im Mittelstand … 

Harald 26. Oktober 2021 Antworten

Made my day: „Aus der bes­ten Toma­te wird nicht ein­fach ein guter Gärt­ner, höchs­tens eine Art Seni­or-Toma­te, die den Juni­or-Toma­ten das Hand­werk erklärt und sich dabei in die­ser Exper­ten­rol­le mehr gefällt als es ihrem und dem Wachs­tum der ihr anver­trau­ten Mit­ar­bei­ter zuträg­lich ist.“

Das trifft es genau!

Marcus Raitner 27. Oktober 2021 Antworten

Vie­len Dank. Ja, lei­der trifft es das oft sehr genau.

Heinz Kößler 30. Oktober 2021 Antworten

Die Beob­ach­tung, dass so vie­le Seni­or Toma­ten zum Gärt­nern „ver­dammt“ sind, liegt bestimmt auch in den Gehalts- und Bonus­struk­tu­ren vie­ler Unter­neh­men. Da sind die höhe­ren Gehalts­re­gio­nen und Incen­ti­ves dann den Füh­rungs­kräf­ten vorbehalten.
Senio­ri­tät in dem was man tut wird ganz oft nicht bezahlt. Da bleibt einem Mit­ar­bei­ter oder einer Mit­ar­bei­te­rin (einer Toma­te :-)) die viel leis­ten und dann auch dem­entspre­chend ver­die­nen will, nur übrig, sich in eine Füh­rungs­lauf­bahn zu bege­ben (und zu Gärt­nern), auch wenn sie lie­ber eine Seni­or Toma­ten wäre.

Und dann kommt noch hin­zu, dass in vie­len Unter­neh­men die „Füh­rungs­ebe­ne“ gar kei­ne Füh­rung son­dern Manage­ment im Sin­ne von Arbeits­ver­wal­tung ist. Ich kann das auch gar nie­mand ver­den­ken, weil die bis­he­ri­ge Manage­ment­aus­bil­dung auch viel über Ver­wal­tung der Arbeit und wenig über Füh­rung und sozia­le Sys­te­me ver­mit­telt hat.
Und in man­chen Unter­neh­men bekom­men die Seni­or Toma­ten gar kei­ne Aus­bil­dung im Gärtnern.

Marcus Raitner 31. Oktober 2021 Antworten

Das hast du sehr gut beschrie­ben. Lei­der. Ich den­ke, dass in die­ser Dyna­mik viel Poten­ti­al ver­schwen­det wird.

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