Visionäre und ihre Schattenseiten: Warum wir schwierigen Genies trotzdem folgen

Zwi­schen „Hust­le Cul­tu­re“ und inspi­rie­ren­der Visi­on – Wenn das „War­um“ jedes „Wie“ erträg­lich macht.

Das „Ver­gnü­gen“ für Ste­ve Jobs oder Elon Musk zu arbei­ten, hat­te ich bis­her lei­der nicht und ich bezweif­le auch stark, dass ich mich in der von ihnen jeweils gepräg­ten Unter­neh­mens­kul­tur beson­ders wohl­füh­len wür­de. Einer­seits. Ande­rer­seits emp­fin­de ich die Visio­nen und Ambi­tio­nen die­ser Men­schen sehr anzie­hend. Damit ste­he ich offen­sicht­lich nicht allei­ne da. Und es fas­zi­niert mich immer wie­der, dass der­art visio­nä­re Men­schen trotz unüber­seh­ba­rer Schat­ten­sei­ten als Lea­der ange­nom­men und bis­wei­len ver­herr­licht werden.

Focu­sing is about say­ing ’no. You’­ve got to say ’no, no, no‘ and when you say ’no,‘ you piss off people.

Ste­ve Jobs, WWDC 1997

Ein nicht zu ver­nach­läs­si­gen­der Aspekt ist dabei sicher­lich ihre Authen­ti­zi­tät: Ste­ve Jobs und Elon Musk mögen zwar regel­mä­ßig als unge­ho­belt, arro­gant, ver­let­zend und vie­les mehr erschei­nen, sind mit all die­sen „Feh­lern“ aber wenigs­tens echt. Eine erfri­schen­de Alter­na­ti­ve zu dem poli­ti­schen Thea­ter, das in vie­len Groß­kon­zer­nen täg­lich zum Bes­ten gege­ben wird, um jeg­li­che Angriffs­flä­che zu mini­mie­ren und „care­er-limi­ting moves“ zu vermeiden.

Natür­lich kann Authen­ti­zi­tät allei­ne nicht hin­rei­chend erklä­ren, war­um so vie­le Men­schen sich frei­wil­lig sol­chen Cha­rak­te­ren anschlie­ßen, extrem her­aus­for­dern­de Arbeits­be­din­gun­gen ertra­gen und sich dabei nicht sel­ten auf­op­fern. Der ent­schei­den­de Fak­tor dafür ist schon eher, was Fried­rich Nietz­sche tref­fend beschrieb als: „Wer ein War­um zu leben hat, erträgt fast jedes Wie.“ Es macht für uns Men­schen einen gro­ßen Unter­schied, ob wir an etwas für uns Bedeut­sa­mem arbei­ten oder nur Schrift­gut ver­wal­ten. Ste­ve Jobs, Elon Musk und vie­le ande­re visio­nä­re Lea­der haben zwei­fel­los den zeit­lo­sen Rat von Antoine de Saint-Exupé­ry verinnerlicht:

Wenn Du ein Schiff bau­en willst, dann tromm­le nicht Män­ner zusam­men, um Holz zu beschaf­fen, Auf­ga­ben zu ver­ge­ben und die Arbeit ein­zu­tei­len. Son­dern leh­re sie die Sehn­sucht nach dem wei­ten, end­lo­sen Meer.

Je attrak­ti­ver die Visi­on und je bes­ser die­se die Sehn­sucht der Men­schen bedient, des­to mehr kann die­ses War­um Defi­zi­te beim Wie auf­wie­gen. Dies soll kei­nes­falls als Legi­ti­ma­ti­on für sozi­al schwie­ri­ges Ver­hal­ten als Füh­rungs­kraft die­nen. Die aus­ge­präg­te Hust­le-Cul­tu­re von Elon Musk, wo 80 bis 100 Wochen­stun­den eher die Regel als die Aus­nah­me schei­nen, treibt Mit­ar­bei­ten­de mit Angst und Druck zwar zu Höchst­leis­tun­gen, aber auch in den Burn-out. Und gera­de über den jun­gen Ste­ve Jobs und sei­ne Obses­si­on mit Per­fek­ti­on gibt es genü­gend Geschich­ten nach­zu­le­sen, die allen­falls als Nega­tiv­bei­spie­le in Füh­rungs­hand­bü­chern auf­ge­führt wer­den sollten. 

Den­noch ver­deut­li­chen gera­de die­se extre­men Bei­spie­le, was Peter Dru­cker tref­fend auf den Punkt brach­te: „Star­ke Men­schen haben immer auch star­ke Schwä­chen.“ Die­sen Ecken und Kan­ten machen authen­tisch. Es ist in Ord­nung, nicht rund und per­fekt in allen Berei­chen zu sein, wenn es gelingt, die­se Defi­zi­te durch Exzel­lenz in ande­ren Berei­chen aus­zu­glei­chen. Und wir soll­ten die patho­lo­gi­schen Extre­me tun­lichst ver­mei­den. Nicht nur, weil die weit­aus meis­ten von uns dies nicht mit Genia­li­tät oder Cha­ris­ma auf­wie­gen kön­nen, son­dern weil es schlicht falsch ist, so mit Men­schen umzugehen. 

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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