Tugenden eines Projektleiters: Gerechtigkeit

Metho­di­sche Fer­tig­kei­ten und fach­li­ches Wis­sen allei­ne machen noch kei­nen guten Pro­jekt­lei­ter. Weit­aus wich­ti­ger ist sein Wir­ken als Füh­rungs­kraft. Wirk­sa­me und erfolg­rei­che Füh­rungs­kräf­te arbei­ten auf einem soli­den Fun­da­ment von­Wer­ten. Die­se las­sen sich zurück­füh­ren auf klas­si­sche Kar­di­nal­tu­gen­den (von lat. car­do, „Tür­an­gel, Dreh- und Angel­punkt“). In einer Serie von Arti­keln wer­den die­se Tugen­den im Kon­text von Füh­rungs­ar­beit und ins­be­son­de­re im Pro­jekt­kon­text inter­pre­tiert. Der vier­te und letz­te Teil der Serie ist der Gerech­tig­keit gewidmet.

Die Vor­schrif­ten des Rechts sind die­se: ehren­haft leben, den ande­ren nicht ver­let­zen, jedem das Sei­ne gewäh­ren (Rechts­samm­lung des Kai­sers Jus­ti­ni­an I.)

Über die Gerech­tig­keit ist schon viel geschrie­ben und lie­ße sich noch vie­les schrei­ben. Ein paar Aspek­te, die ich ins­be­son­de­re im Wir­ken als Füh­rungs­kraft wich­tig fin­de, möch­te ich jedoch hervorheben.

Bei Gerech­tig­keit denkt man zunächst an Geset­ze. Aber auch an die viel­fäl­ti­gen Nor­men des Mit­ein­an­ders. Die Geset­ze zu befol­gen ist sicher­lich in den meis­ten Fäl­len not­wen­dig und rich­tig, aber bestimmt nicht aus­rei­chend. (Es scha­det aber auch nicht Geset­ze im Sin­ne eines laten­ten zivi­len Unge­hor­sams zu hinterfragen.)

Im täg­li­chen Zusam­men­le­ben hat sich als gene­rel­le Leit­li­nie der Kate­go­ri­sche Impe­ra­tiv bewährt:

Hand­le nur nach der­je­ni­gen Maxi­me, durch die du zugleich wol­len kannst, dass sie ein all­ge­mei­nes Gesetz wer­de. (Imma­nu­el Kant)

Wich­tig dabei, aber lei­der oft über­se­hen, das eige­ne Han­deln soll­te sich zum all­ge­mei­nen Gesetz machen las­sen. Es geht also nicht dar­um, ob man selbst umge­kehrt auch so behan­delt wer­den möch­te, son­dern dar­um ob die Welt noch funk­tio­nie­ren wür­den, wenn alle so han­del­ten. (Zur Übung kann man die Unsit­te des Aus­nut­zens von diver­sen Ver­si­che­rung mit dem Argu­ment „Ich hole mir nur zurück, was ich ein­ge­zahlt habe!“ auf ihre All­ge­mein­gül­tig­keit hin untersuchen.)

Eben­so wich­tig für das Mit­ein­an­der ist der auf Pla­ton zurück­ge­hen­de Grund­satz  „suum cui­que“, also „jedem das Sei­ne“.  Pla­ton ver­steht dar­un­ter, dass jeder das sei­nen Mög­lich­kei­ten und sei­nem Wesen Gemä­ße bei­tra­gen soll und umge­kehrt auch das erhal­ten soll was ihm zusteht. Als Füh­rungs­kraft muss ich die Fähig­kei­ten jedes Mit­ar­bei­ters erken­nen und ihn so ein­set­zen, dass er die­sen Bei­trag auch leis­ten kann. Und für die­se Leis­tung muss ich ihm auch ent­spre­chend gewäh­ren, was ihm zusteht. Es ver­bie­tet sich somit von selbst, mehr Leis­tung(?) durch Über­stun­den im gro­ßen Stil, aus den Mit­ar­bei­tern her­aus­pres­sen zu wol­len. Oder Tei­le des ver­ein­bar­ten Gehalts zurück­zu­hal­ten in Form von Miss­trau­ens­ab­schlä­gen (ver­harm­lo­send auch Incen­ti­ve genannt). Es heißt aber auch, den Mit­ar­bei­tern die ech­te und ehr­li­che Aner­ken­nung für ihre Leis­tung zu geben, die sie verdienen.

Zu oft ver­ges­sen, weil die Füh­rungs­kraft doch immer noch als der auf­op­fern­de Held gese­hen wird, am meis­ten von sich selbst: „suum cui­que“ schließt auch die eige­ne Per­son und die eige­nen Bedürf­nis­se ein. Und das nicht nur irgend­wann, son­dern mit höchs­ter Prio­ri­tät. Klingt ego­is­tisch, ist es aber nicht. Es gilt auch hier der obers­te Grund­satz von Ärz­ten: „cura te ipsum“, d.h. Ärz­te sol­len zuerst sich selbst ver­sor­gen und dann die Patienten.

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PS. Das Bild ist ein Aus­schnitt aus dem Gemäl­de „Die sie­ben Tugen­den“ des ita­lie­ni­schen Malers Fran­ces­co Pese­li­no (unter den weib­li­chen Tugen­den die männ­li­chen Pen­dants) (ca. 1422 – 1457)



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