Pragmatische Methodik

Tom deMar­co und Timo­thy Lis­ter sind kei­ne Freun­de über­bor­den­der Reglementierungswut:

Volu­mi­nous docu­men­ta­ti­on is part of the pro­blem, not part of the solution.

Auch Ste­fan Hagen zieht aus den Umfra­ge­er­geb­nis­sen zu Spiel­re­geln im Pro­jekt­ma­nage­ment das Fazit: Regeln ja, aber prak­tisch hand­hab­ba­re. Was unter­schei­det aber eine gute, also prag­ma­ti­sche, Metho­dik von einer schlech­ten? Ich mei­ne der Unter­schied liegt weni­ger im Inhalt als an der Moti­va­ti­on für die Ein­füh­rung der Methodik.

Tom deMar­co und Timo­thy Lis­ter brin­gen in Peo­p­le­wa­re: Pro­duc­ti­ve Pro­jects and Teamsdas Pro­blem der falsch moti­vier­ten Metho­dik auf den Punkt:

The Peo­p­le who wri­te the metho­do­lo­gy are smart. The peo­p­le who car­ry it out can be dumb.

Ein der­art moti­vier­ter Ruf nach einem Vor­ge­hens­mo­dell bringt vor allem zwei Din­ge zum Aus­druck: ein Miss­trau­en des Rufen­den, meist des höhe­ren Manage­ments, in die Fähig­kei­ten der Mit­ar­bei­ter („Ihr könnt die Arbeit nicht selbst durch­den­ken.“)  und tat­säch­li­che Defi­zi­te in der Durch­füh­rung der Tätig­keit (denn sonst gäbe es kei­nen Grund zu rufen). Die­se Moti­va­ti­on ent­springt offen­sicht­lich dem Sci­en­ti­fic Manage­ment von Fre­de­rick W. Tay­lor, der kom­ple­xe hand­werk­li­che(!) Auf­ga­ben in mög­lichst ein­fa­che Arbeits­schrit­te zer­leg­te, die dann von nahe­zu unge­lern­ten Mit­ar­bei­tern nach sei­nen Regeln aus­ge­führt wer­den mussten.

So phä­no­me­nal die Aus­wir­kun­gen des Sci­en­ti­fic Manage­ment von Tay­lor auf die Pro­duk­ti­vi­tät der pro­du­zie­ren­den Indus­trie im 20ten Jahr­hun­dert waren, so kata­stro­phal sind die Aus­wir­kun­gen beim Ver­such es auf die Wis­sens­ar­beit anzu­wen­den. Wis­sens­ar­beit ist grund­le­gend anders und der Wis­sens­ar­bei­ter grund­le­gend anders zu behandeln.

This requi­res that the know­ledge workers them­sel­ves defi­ne what the task is or should be-and only the know­ledge workers them­sel­ves can do that. (Peter F. Drucker)

Eine Metho­dik, egal ob Pro­jekt­ma­nage­ment oder Soft­ware-Engi­nee­ring, ein­ge­führt mit der fal­schen Moti­va­ti­on, wird gro­ßen Scha­den anrich­ten. Die­se fal­sche Moti­va­ti­on bringt Miss­trau­en zum Aus­druck und Hoff­nungs­lo­sig­keit („Ich sehe ihr könnt das nicht und ich traue euch nicht zu, es zu ler­nen.“). Den Mit­ar­bei­tern gehen wich­ti­ge Gestal­tungs­spiel­räu­me ver­lo­ren und dar­un­ter lei­det ihre Moti­va­ti­on (Unab­hän­gig­keit ist ein wesent­li­cher Fak­tor für die Moti­va­ti­on von Wis­sens­ar­bei­tern; zu sehen in dem groß­ar­ti­gen Video der Roy­al Socie­ty for the encou­ra­ge­ment of Arts, Manu­fac­tures & Com­mer­ce). Selbst wenn die Mit­ar­bei­ter die Metho­dik befol­gen, gehen der gesam­ten Orga­ni­sa­ti­on die Selbst­hei­lungs­kräf­te ver­lo­ren, es droht Dienst nach Vor­schrift (nach deMar­co und Lis­ter eine eige­ne Form des Streiks in Australien).

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PS. Foto gefun­den bei Ryan Amos auf Flickr. Thanks for sharing!

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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