Affenmärchen

Mit Geb­hard Borck’s „Affen­mär­chen: Arbeit frei von Lack & Leder“ ist nun das zwei­te Buch eines Mit­glieds des netz­werk sinn­voll • wirt­schaf­ten in mei­nem Blog gelan­det (das ers­te war „Feel it!“ von Andre­as Zeuch). Ein beson­de­res Buch in zwei­er­lei Hin­sicht. Einer­seits weil Geb­hard Borck an etwas rüt­telt, das die meis­ten von uns als unver­rück­bar hin­neh­men: Im Zen­trum steht näm­lich die Fra­ge, ob Arbeit in Unter­neh­men so orga­ni­siert und Men­schen so gema­na­ged wer­den müs­sen wie es heu­te mehr­heit­lich der Fall ist oder ob es – und wenn ja wel­che – Alter­na­ti­ven es gibt. Und ande­rer­seits, weil Geb­hard Borck das Buch auf ganz beson­de­re Art geschrie­ben und ver­öf­fent­licht: Das gesam­te Buch kann online in ca. 100 Blog­posts kos­ten­los gele­sen wer­den. Zusätz­lich kann das Buch gedruckt, in ein­zel­nen Kapi­tel als E‑Book erwor­ben wer­den, auch um dem Autor damit die eige­ne Aner­ken­nung zu zei­gen. Es ist, so viel sei vor­weg­ge­nom­men, sein Geld abso­lut wert.

Machen wir uns nichts vor, die aller­meis­ten Unter­neh­men ver­fah­ren im Prin­zip immer noch nach der grund­sätz­li­chen Auf­fas­sung von Tay­lor, dass es des Manage­ments bedarf, um Arbei­ter zu steu­ern und Arbeit im Unter­neh­men effi­zi­ent ablau­fen zu las­sen. Über­spitzt formuliert:

Einen intel­li­gen­ten Goril­la könn­te man so abrich­ten, dass er ein min­des­tens eben­so tüch­ti­ger und prak­ti­scher Ver­la­der wür­de als irgend­ein Mensch. Und doch liegt im rich­ti­gen Auf­he­ben und Weg­schaf­fen von Roh­ei­sen eine sol­che Sum­me von wei­ser Gesetz­mä­ßig­keit, eine der­ar­ti­ge Wis­sen­schaft, dass es auch für die fähigs­ten Arbei­ter unmög­lich ist, ohne die Hil­fe eines Gebil­de­te­ren die Grund­be­grif­fe die­ser Wis­sen­schaft zu ver­ste­hen oder auch nur nach ihnen zu arbeiten.
Fre­de­rick Win­slow Taylor

Nur ganz weni­ge Unter­neh­men (zum Bei­spiel Sem­co) sind nicht nach die­sem Prin­zip orga­ni­siert. Nun trifft die­se Orga­ni­sa­ti­ons­form des Indus­trie­zeit­al­ters auf die Pro­ble­me und die Kom­ple­xi­tät des 21. Jahr­hun­derts. In zahl­rei­chen Bei­spie­len führt uns Geb­hard Borck zunächst vor Augen wel­che Defi­zi­te für Unter­neh­men aber auch wel­che Pro­ble­me für die Men­schen dar­aus ent­ste­hen. Ein unge­heu­res Poten­ti­al von Krea­ti­vi­tät bleibt tag­täg­lich unge­nutzt: Men­schen die im übri­gen All­tag krea­tiv Pro­ble­me lösen und sinn­voll, effi­zi­ent und effek­tiv han­deln, wer­den an der Ein­gang­tür zum Unter­neh­men qua­si ent­mün­digt. Durch die wie­der­hol­te Gegen­über­stel­lung der Fähig­keit und dem Wil­len zu ver­ant­wor­tungs­be­wuss­tem Han­deln im Pri­va­ten mit den begrenz­ten Mög­lich­keit dazu in der Orga­ni­sa­ti­on, führt uns Geb­hard Borck den gan­zen Irr­sinn und die unglaub­lich Ver­schwen­dung von Poten­ti­al deut­lich vor Augen.

Was ist die Alter­na­ti­ve? Gera­de die letz­ten 10 Jah­re haben gezeigt, dass Men­schen in nicht-hier­ar­chi­schen, demo­kra­tisch orga­ni­sier­ten Netz­wer­ken Gro­ßes und Sinn­vol­les höchst effi­zi­ent erzeu­gen kön­nen (Stich­wort: Wiki­no­mics). Es gibt bereits Groß­un­ter­neh­men die nach demo­kra­ti­schen Prin­zi­pi­en orga­ni­siert sind und gera­de in unsi­che­rem Umfeld und bei wach­sen­der Kom­ple­xi­tät sehr erfolg­reich sind (Stich­wort: Sem­co). In sol­chen Netz­werk gibt es auch Füh­rung, aber sie ist noma­disch, wan­dert also je nach Situa­ti­on und Anfor­de­rung anstatt an eine Posi­ti­on gebun­den zu sein. Der­ar­ti­ge Netz­wer­ke tref­fen in kom­ple­xen Situa­tio­nen nach­weis­lich bes­se­re Ent­schei­dun­gen als Ein­zel­per­so­nen (Stich­wort: Schwarm­in­tel­li­genz). Es gibt also Alter­na­ti­ven – man muss die­se nur wol­len. Was es dann dazu braucht (Stich­wort: Sinn) und wel­che Bedin­gun­gen es erfor­dert (Stich­wort: Sinn­kopp­lung), wird in den letz­ten Kapi­teln des Buches erklärt.

Alles in allem ein gutes und wich­ti­ges Buch. Ein Buch das auf­rüt­telt, Selbst­ver­ständ­li­ches hin­ter­fragt und Lust macht sinn­voll zu wirt­schaf­ten. Ein­zi­ger Wer­muts­trop­fen: gele­gent­lich ver­misst man in der gedruck­ten Fas­sung die Sorg­falt eines pro­fes­sio­nel­len Lek­tors, etwa wenn Wör­ter schmerz­haft falsch getrennt wur­den (bei­spiels­wei­se „E‑bene“).

Weitere Rezensionen

Wei­te­re mir wich­ti­ge Bücher fin­den sich in den Buch­emp­feh­lun­gen. Kom­men­ta­re, Ergän­zun­gen und Anre­gun­gen sind stets willkommen.

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

1 Kommentar

Hal­lo Marcus,

vie­len Dank für die wohl­wol­len­de Rezension!
Für die Lek­to­rats-Feh­ler in der Print­ver­si­on ent­schul­di­ge ich mich. In der eBook-Ver­si­on auf Ama­zon und im Blog ist das kein The­ma und auch vie­le wei­te­re ortho­gra­fi­sche Feh­ler sind dort behoben.
Aller­dings kön­nen sie schon bald einen ganz beson­de­ren Wert haben. Augen­blick­lich ver­fas­se ich das 10. Kapi­tel zum Buch. Mit die­sem Kapi­tel wird die Vor­ab­auf­la­ge bei ihrer aktu­ell limi­tier­ten Auf­la­ge blei­ben – selbst der Titel steht erneut zur Diskussion!
Somit hast Du defi­ni­tiv eine Rari­tät – ganz unab­hän­gig davon, wel­che Best­sel­ler­lis­te das Buch in Zukunft noch erklim­men wird ;)!

Neben der Erstel­lung des 10. Kapi­tels kann das Buch aktu­ell auch auf www.menschenzeitung.de von Beginn an wie­der blog­post­wei­se mit­ge­le­sen wer­den. Start war vor einer Woche. Drei Posts sind bereits ver­öf­fent­licht, doch die aller­meis­ten kom­men noch – ein Ein­stieg ist somit pro­blem­los und kos­ten­güns­tigst möglich!

Bes­te Grüße
Geb­hard Borck

PS: Auf dem Blog darf natür­lich auch ger­ne dis­ku­tiert werden!

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