Jeder kennt die Quizfrage: „Wenn Du nur drei Dinge auf eine einsame Insel mitnehmen dürftest, welche wären das?“ Die Antworten sind oftmals recht erhellend und bringen Seiten des Antwortenden zu Tage, die man noch nicht kannte. Wenn ich nun analog mein Verständnis von Projektmanagement auf drei Grundprinzipien reduzieren müsste, wären es für mich die im folgenden beschriebenen. Ich möchte mit dem Artikel den Anstoß geben über die eigenen Projektmanagement-Prinzipien nachzudenken und freue mich über eure Kommentare.
Arbeite am System
Ins Projektmanagement wird man befördert. Man ist für einige Zeit Mitarbeiter im Projekt und qualifiziert sich dann aufgrund guter Leistungen (als Experte im Projekt, wohlgemerkt) zum Projektmanager. Klingt komisch und ist es auch. Das hatte auch Laurence J. Peter erkannt und schon 1969 als das Peter-Prinzip verallgemeinert:
In a hierarchy every employee tends to rise to his level of incompetence. (Laurence J. Peter)
Machen wir uns nichts vor: In Projekten arbeiten und Projekte zu leiten sind zwei völlig unterschiedliche Berufe. Wie jeder Beruf kann und muss Projektmanagement erlernt werden. Kein Unternehmen würde einen Programmierer einstellen, der nur drei Wochen Java Intensiv-Kurs als einzige Ausbildung vorweisen kann. Im Projektmanagement ist das aber die Regel und drei Wochen noch eher eine lange Ausbildungsdauer.
Dabei ist es gar nicht so, dass Projektmanagement als Disziplin so kompliziert wäre. Jedoch erfordert der „Aufstieg“ zum Projektmanager ein radikales Umdenken. Anstatt wie bisher mit hoher Kompetenz im System Projekt als Experte mitzuarbeiten und als wichtig empfundene Beiträge zu leisten, sollte man als Projektmanager in erster Linie am System arbeiten und fühlt sich in dieser Rolle erst Mal inkompetent und unwohl. Wie gesagt, diese Metaarbeit an sich ist gar nicht so kompliziert, es ist nur schwierig diese Arbeit für sich auch als wichtig zu erkennen und wertvoll einzuschätzen und ihr entsprechende Priorität einzuräumen.
Suche die Konfrontation
Oft als Folge der Unsicherheit in der ungewohnten Rolle und noch fehlender Erfahrung, scheuen Projektleiter Konfrontationen wie der Teufel das Weihwasser. Pläne werden im Geheimen ausgebrütet, dem Team nur soviel mitgeteilt wie unbedingt notwendig (und auch so spät wie möglich), der Projektstatus wird geschönt und Probleme verheimlicht. Ich nenne das gerne das Terminator-Prinzip: „Ich gebe Ihnen gar nicht genug Informationen, dass es sich für Sie lohnt zu denken!“
Dieses Verhalten ist genauso verständlich wie gefährlich. Man bedenke: Projekte behandeln per Definition Neuartiges; dabei kommt es zwangsläufig zu Schwierigkeiten. Die Frage ist also nur wie früh diese erkannt werden und wie viel Handlungsoptionen dann noch bleiben. Will man ein Projekt so richtig gegen die Wand fahren, muss man also dafür sorgen, dass Probleme so spät wie möglich entdeckt werden. Das beste Rezept dafür lautet: Informationen möglichst zurückhalten, Diskussionen gar nicht aufkommen lassen und erst um Hilfe bitten, wenn es viel zu spät ist.
Auch wenn es anfangs schwerfällt, Aufgabe des Projektleiters ist es Konfrontationen bewusst zu erzeugen und dadurch die Fähigkeiten und das Wissen seines Teams und weiterer Stakeholder zu nutzen.
Menschen machen Projekte
Eigentlich selbstverständlich und deswegen oft ignoriert: Menschen machen Projekte. Nicht irgendwelche Ressourcen. Projektmanagement ist auch eine Führungsaufgabe. Als Projektmanager übernehme ich zeitweise Verantwortung für Menschen mit Wünschen, Erwartungen und Problemen. Ich habe die Wahl wie ich diese Menschen behandle, ob ich ihnen vertraue oder sie kommandiere, ob ich sie als leistungsbereit einschätze oder als faules Pack. Das Schöne oder Traurige daran: Egal für was ich mich entscheide, ich werde am Ende genau das bekommen! (vgl. Rosenthal-Effekt)
Das eigene Team dumm zu halten, wie oben beschrieben, ist nicht nur unklug, es ist auch abwertend und demotivierend, weil es Menschen zu Ressourcen reduziert. Unter diesen Voraussetzung Eigenständigkeit und kreative Problemlösungen zu erwarten ist geradezu grotesk.
Mit der „Macht” als Projektmanager muss man erst Mal zurecht kommen. Man kann sie benutzen, um das Bedürfnis des eigenen Egos nach Überlegenheit zu befriedigen. Oder man betrachtet sie als geliehen und stellt sie in den Dienst des Teams (dienende und nomadische Führung).
Bildnachweis
Das Artikelbild wurde von Andreas Levers unter dem Titel „Sacrow 2“ auf Flickr unter eine Creative Commons Lizenz (CC BY 2.0) veröffentlicht (Bestimmte Rechte vorbehalten).
2 Kommentare
Hi Marcus,
danke für den tollen Beitrag!
Folgenden Gedanken möchte ich zur Diskussion stellen. Du schreibst im Zusammenhang mit „Arbeite am System“, dass es zwei völlig unterschiedliche Dinge sind, in Projekten (sprich im System) zu arbeiten und Projekte zu leiten (sprich am System zu arbeiten).
Ich denke, dass dieser Punkt differenziert werden sollte. Denn die PM-Funktion beinhaltet nach meinem Verständnis Führung (= Metaarbeit –> Lead System Change) UND Management (= Arbeit –> Manage the System). Wirkungsvolle Projektmanager/innen beherrschen sowohl die unmittelbare Gestaltung und Organisation der (Team)Arbeit sowie die Gestaltung und Organisation des Projektumfeldes (insbes. Zusammenspiel zwischen Linie und Projekt im Sinne von Strategie, Strukturen und Kultur).
Viele Grüße!
Stefan
Hallo Stefan,
danke für Deine Anmerkung! Tatsächlich würde sich die Unterscheidung in Führung und Management lohnen. Mit Arbeit am System habe ich beides zusammengefasst, weil ich hauptsächlich auf das Problem eines noch unerfahrenen Projektleiters eingehen wollte, der es bisher gewohnt war einfach mitzuarbeiten und nun gestalten muss. Ich denke für die Unterscheidung in Führung und Management lohnt sich ein weiterer Artikel.
Herzliche Grüße,
Marcus