Im Scrum erfüllt der Product-Owner eine entscheidende Funktion: er maximiert den Wert seines Produkts. Ausgehend von einer kraftvollen Vision priorisiert er die Funktionen nach dem angenommenen Nutzen und überprüft diese Annahme regelmäßig anhand der Rückmeldung der Kunden. In hierarchischen Organisationen, die auf Kommando und Kontrolle basieren, ist allerdings immer wieder zu beobachten, dass der eine oder andere Product-Owner zum absolutistischen Fürsten wird: „Das Produkt bin ich!“ Gemäß diesem abgewandelten Leitspruch des Absolutismus regiert er selbstherrlich über das Team und betreibt nach Gutdünken Micromanagement.
Ein absolutistisch veranlagter Manager fühlt sich in der Rolle des Product-Owner normalerweise sehr wohl. Er hat ein Team und darf priorisieren, was gemacht werden soll. Und damit es dann auch passt, erklärt er dem Team auch gleich, wie es gemacht werden soll. Wenn sich das Team seiner Meinung nach zu wenig vornimmt (falls es diese Wahl überhaupt hatte), erzwingt er mit mehr oder weniger sanftem Druck ein höheres Commitment. Und selbstverständlich nimmt er für sich das Recht in Anspruch, während eines Sprints umzupriorisieren. Freilich ohne sich dabei allzusehr um das Feedback der wirklichen Kunden zu kümmern, denn schließlich gilt für ihn: „Das Produkt bin ich!“
Cultural transformation begins with the personal transformation of the leaders. Organisations don’t transform. People do.
Richard Barrett
Damit sich genau diese schädlichen Verhaltensweisen nicht etablieren, braucht es ein Gegengewicht in Form eines starken Scrum Master. Er muss einem solchen Produkt-Fürsten als allererstes erklären, dass er nicht über dem Team steht, sondern ein Teil davon ist: „Er ist kein Anforderer, der etwas vom Team bauen lässt, sondern ein integraler Teil. Er hat eine spezielle Sicht auf die gemeinsame Arbeit. Er will, dass das Scrum-Team möglichst nur das liefert, was auch wertvoll ist – also vom Kunden gekauft werden wird.“ (Boris Gloger). Im Detail achtet der Scrum Master dann darauf, dass der Product-Owner, seine Rolle erfüllt und sich dabei an die Regeln hält und sich eben nicht ganz absolutistisch außerhalb des Gesetzes stellt.
Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.
Antoine de Saint-Exupéry
Damit beschreibt Antoine de Saint-Exupéry einerseits, was einen guten Product-Owner ausmacht, nämlich eine Vision des Produkts so attraktiv vermitteln zu können, dass sich die Arbeit automatisch daran ausrichtet. Andererseits nennt er aber auch, was eher nicht gemacht werden soll, nämlich dem Team im Detail Aufgaben zu geben. Seine Rolle ist es, den Kundennutzen fest im Blick zu haben und die Arbeit des Teams in diesem Sinne effektiv zu machen. Er ist der Experte für den Nutzen von Produktfunktionen, aber wie diese am besten umgesetzt werden können, dafür gibt es im Team andere und bessere Experten. Auf diese Teilung von Was und Wie muss der Scrum Master bei einem eher absolutistisch geprägten Product-Owner ganz besonders achten. Und darauf, dass die Arbeit während eines Sprints fokussiert auf die vereinbarten Umfänge bleibt und eben nicht willkürlich umpriorisiert wird.
Geben Sie Ihren Mitarbeitern Arbeit, bei der sie ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen müssen. Geben Sie ihnen alle notwendigen Informationen. Erläutern Sie ihnen klipp und klar, was es zu erreichen gilt. Und dann: lassen Sie sie in Ruhe.
Robert Waterman
2 Kommentare
Ich hörte auch schon so Sätze wie „das ist der Projektleiter in Scrum-Projekten“ – was meiner Meinung nach einer der Gründe ist, wie es zu so einem Selbstverständnis eines PO kommen kann. Das Problem ist: Ein Wasserfall wird nicht plötzlich agil, weil man „Scrum“ drauf stempelt.
Exakt. Das ist dann Cargo-Kult. Und das merkt man dann eben in solchen Sätzen.