Neue Führung missverstanden

Das Bon­mot von Peter F. Dru­cker, dass Kul­tur jede Stra­te­gie zum Früh­stück ver­speist, gilt auch und ganz beson­ders für die­je­ni­gen, die neue Füh­rung auf Augen­hö­he in einer anders­den­ken­den Umge­bung wagen. Wo Füh­rung nor­ma­ler­wei­se durch Micro­ma­nage­ment und Über­be­hü­tung gekenn­zeich­net ist, wird Füh­rung zur Selbst­füh­rung irgend­wo zwi­schen Faul­heit, Unfä­hig­keit und Ver­nach­läs­si­gung der Für­sor­ge­pflicht interpretiert.

Füh­rung ist heu­te nur noch legi­tim, wenn sie die Selbst­füh­rung der anver­trau­ten Mit­men­schen zum Ziel hat.
Götz W. Werner

In vie­len Orga­ni­sa­tio­nen ist das Füh­rungs­ver­hält­nis immer noch durch Abhän­gig­keit gekenn­zeich­net. Selbst wenn Füh­rung heu­te oft unter­stüt­zend und behü­tend daher­kommt und sel­te­ner stra­fend, ver­harrt sie den­noch im Para­dig­ma der Abhän­gig­keit. Aus­ge­drückt mit den Begrif­fen der Trans­ak­ti­ons­ana­ly­se agiert die Füh­rungs­kraft aus der Posi­ti­on des (stra­fen­den bzw. wohl­wol­len­den) Eltern-Ichs wäh­rend die Mit­ar­bei­ter in der Posi­ti­on des (rebel­li­schen oder ange­pass­ten) Kind-Ichs ver­har­ren. Füh­rung auf Augen­hö­he jedoch erfor­dert auf bei­den Sei­ten die Posi­ti­on eines prin­zi­pi­ell unab­hän­gi­gen Erwachsenen-Ichs.

Einer der bes­ten Wege, die Moral auf­zu­bau­en und das Inter­es­se an der Arbeit zu ver­grö­ßern, ist das kon­se­quen­te Dele­gie­ren von Verantwortung.
Cyril North­cote Parkinson

In Orga­ni­sa­tio­nen, die Füh­rung nur unter die­sem unhin­ter­frag­ten Para­dig­ma der kon­trol­lie­ren­den, bis­wei­len stra­fen­den, meist aber für­sorg­li­chen Abhän­gig­keit ken­nen, muss neue Füh­rung auf Wider­stän­de sto­ßen. Erstaun­lich wenig aller­dings bei den geführ­ten Mit­ar­bei­tern, die nach anfäng­li­chen Anpas­sungs­schwie­rig­kei­ten das neue Maß an Auto­no­mie und Ver­ant­wor­tung in der Regel sehr zu schät­zen wis­sen. Die meis­ten Wider­stän­de oder wenigs­tens Unver­ständ­nis pro­vo­ziert neue Füh­rung bei ande­ren Führungskräften.

Wege ent­ste­hen dadurch, dass man sie geht.
Franz Kaf­ka

Das Para­dig­ma der Abhän­gig­keit auf­zu­ge­ben indem man wie Götz W. Wer­ner Füh­rung nur noch als legi­tim begreift, wenn sie die Selbst­füh­rung der anver­trau­ten Mit­ar­bei­ter zum Ziel hat, ver­or­ten eher tra­di­tio­nel­le Füh­rungs­kräf­te irgend­wo zwi­schen Faul­heit, Unfä­hig­keit und Ver­nach­läs­si­gung der Für­sor­ge­pflicht. Die Fak­ten schei­nen zunächst auch genau die­se Sicht zu bestä­ti­gen. Wer das Ziel der Selbst­füh­rung ernst nimmt, muss den Mit­ar­bei­tern Raum geben, Expe­ri­men­te zulas­sen und ein Schei­tern bil­li­gend in Kauf neh­men. Von außen wirkt das dann, als hät­te der sei­nen Laden nicht im Griff und ver­langt – in der alten Logik von Abhän­gig­keit – natür­lich sofort nach einem har­ten Durch­grei­fen oder wenigs­tens einem ener­gi­schen Ein­grei­fen der Füh­rungs­kraft. In der neu­en Logik der Füh­rung zur Selbst­füh­rung, ist jedes Schei­tern eine Chan­ce für den Mit­ar­bei­ter oder das Team etwas zu ler­nen und dar­an zu wach­sen. Die­sen Lern­pro­zess zu ermög­li­chen und best­mög­lich zu unter­stüt­zen ist ein wesent­li­che Auf­ga­be neu­er Führung.

Solan­ge man Hel­den oder Schul­di­ge braucht, um eine Situa­ti­on plau­si­bel zu erklä­ren, hat man sie noch nicht verstanden.
Ger­hard Wohland



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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

4 Kommentare

Hal­lo Marcus,

herz­li­chen Dank, für Dein Tei­len und Respekt!!
Ich per­sön­lich bin nun zwar etwas irri­tiert, ver­ste­he Man­ches, dass ich erlebt habe dafür aber umso besser.

Wenn man schon vor vie­len Jah­ren einen Eid geleis­ted hat, dass das Ziel von Füh­rung – „mün­di­ge Bür­ger“ – heisst, dann ist das, was Du „neue Füh­rung“ nennst, eine funk­tio­na­le Füh­rung­form und zwar schon sehr lan­ge (min­des­tens seit wir wie­der eine Demo­kra­tie sind) ;o).

Ent­spre­chend ging mei­ne Wahr­neh­mung bis­her auch eher dahin, dass in man­chen Unter­neh­men eine „Hüh­ner­stall­or­ga­ni­sa­ti­on“ ent­stan­den war – also eine Hack­ord­nung, bei der der ver­meit­lich Stärks­te dem Fut­ter­napf am Nahes­ten kommt und durch die Macht­mit­tel­ver­tei­lung dann eben „führt“.

Mit so einer Orga kann man zwar vie­le Leu­te in eine Anpas­sung „zwin­gen“, eini­gen Weni­gen mehr zah­len (bei den Ande­ren spa­ren) etc, aber mit Iden­ti­fi­ka­ti­on, intel­li­gen­ten Lösun­gen, Moti­va­ti­on, Krea­ti­vi­tät und guter Kom­mu­ni­ka­ti­on mün­di­ger Bür­ger hat das eher Weni­ger zu tun. Daher dach­te ich auch immer, es sei ein­fach nur eine dys­funk­tio­na­le Füh­rungs­form (jeden­falls Hier­zu­lan­de und in einer ver­netz­ten Wis­sens­ge­sell­schaft, in der Ler­nen zur Wett­be­werbs­fä­hig­keit beiträgt).

Wenn man Kul­tur als das Ver­hal­ten ver­steht, wel­ches ent­steht, weil eine Orga­ni­sa­ti­on Din­ge erlaubt (vlt durch Beloh­nung för­dert) und ver­bie­tet (bestraft) – dann ist logi­scher­wei­se, in einer hack­ord­nung­ge­trie­be­nen Orga­ni­sa­ti­on die „Kul­tur“, die durch die­se Füh­rung ent­steht dominant…
…und dort wäre der Hebel oder eben die Sperrschicht.

Viel­leicht ist die ‑the­men­zen­trier­te Inter­ak­ti­on – (https://de.wikipedia.org/wiki/Themenzentrierte_Interaktion) noch ein Tipp. Das dar­in ent­hal­te­ne Drei­eck ist ohne­hin viel schö­ner, als das aus dem klas­si­schen PM^^.

Alles Gute und trotz (oder auch gra­de wegen) der Erfahrung
ein wun­der­ba­res Wochen­en­de wünschend,
Bernd

Lie­ber Bernd, vie­len Dank für dei­nen Kom­men­tar. Mit neu war auch weni­ger neu­ar­tig als viel­mehr der Kon­trast zur alten, dys­funk­tio­na­len Füh­rung gemeint. Dei­nen Eid in Ehren, aber mit der Mün­dig­keit ist in vie­len Fäl­len beim Pfört­ner Schluss. Lei­der ver­än­dert sich die Kul­tur, als die Sum­me der tole­rier­ten und akzep­tier­ten Ver­hal­tens­wei­sen im Unter­neh­men nur sehr lang­sam. Umso wert­vol­ler sind für mich die­se Erfah­run­gen der Dis­kre­panz zwi­schen neu­er Füh­rung und alter Kul­tur immer frei­lich mit dem Ziel die­se Kul­tur zu verändern.

Vie­le Grü­ße und auch dir ein schö­nes Wochenende!

Sor­ry für den Doppelpost.
Nur um noch ein Miss­ver­ständ­nis zu vermeiden:

Wenn ver­ba­les oder tät­li­ches aggres­si­ves Ver­hal­ten nicht ver­pönt oder sonst aus­ge­schlos­sen ist, set­zen kraft­vol­le, domi­nan­te Indi­vi­du­en ihre Über­le­gen­heit gegen­über ande­ren Grup­pen­mit­glie­dern durch Rang­kämp­fe mehr oder weni­ger rück­sichts­los durch.“

Und zur Her­kunft des Begriffs Hackordnung:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rangordnung_(Biologie)#Herkunft_des_Begriffs_Hackordnung

Es gibt auch Hiera­chien mit einer aus­ge­zeich­ne­ten und lebens­dien­li­chen Kultur…

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