Growth Mindset: Auf dem Weg zur Lernkultur

Es regiert das Exper­ten­tum. Geschätzt wird Per­fek­ti­on. First time right, heißt das dann. Feh­ler sind böse, geschei­tert wird heim­lich. Typi­sche deut­sche Spalt­maß­fi­xie­rung hat Sascha Lobo das mal genannt. Dar­in lag der Erfolg unse­res Wirt­schafts­wun­ders begrün­det. Und in die­sem Erfolg von ges­tern liegt unser Pro­blem von heu­te. Dar­um rei­sen Heer­scha­ren von deut­schen Mana­gern ins Sili­con Val­ley und bewun­dern den Mut und die Geschwin­dig­keit dort. Es folgt der Ruf nach einer neu­en Kul­tur des Schei­terns. Ver­ges­sen wird dabei ger­ne, dass es nicht um das Schei­tern an sich geht, son­dern um das Ler­nen. Was wir mehr denn je brau­chen, ist eine Lern­kul­tur in unse­ren Unternehmen. 

In the beg­in­ner’s mind the­re are many pos­si­bi­li­ties, but in the exper­t’s the­re are few.
Shun­ryu Suzuki

Die ame­ri­ka­ni­sche Pro­fes­so­rin für Psy­cho­lo­gie Carol Dweck erforscht seit vie­len Jah­ren, was lern­star­ke von lern­schwa­chen Kin­dern unter­schei­det. Sie beschäf­tigt sich mit der Fra­ge, war­um man­che Kin­der Spaß dar­an haben, an der Lösung von Her­aus­for­de­run­gen zu tüf­teln und ande­re sich gar nicht an die­se wagen, lie­ber ein­fa­che­re aus­su­chen oder schnell auf­ge­ben. Sie beschreibt dazu ein ver­blüf­fen­des Expe­ri­ment. Ein Kind in Grund­schul­al­ter sitzt mit einer Assis­ten­tin in einem Raum. Dem Kind fällt es leicht ver­schie­de­ne Rät­sel zu lösen und die Assis­ten­tin lobt ihr Talent: „Du machst das gut. Du musst sehr klug sein!“. Nun möch­te man ver­mu­ten, dass die­ser Erfolg und das Lob das Kind ermu­tigt, sich an schwie­ri­ge­re Auf­ga­ben zu wagen. Tat­säch­lich ist aber das Gegen­teil der Fall: Kin­der, deren Talent gelobt wur­de, scheu­en die Her­aus­for­de­rung, ein schwie­ri­ge­res Rät­sel zu lösen, son­dern wäh­len lie­ber ein deut­lich ein­fa­che­res. Wird hin­ge­gen die Anstren­gung und das Ler­nen gelobt („Das hast du gut gemacht! Du hast dir viel Mühe gege­ben und gelernt, die Rät­sel immer schnel­ler zu machen.“), sind die Kin­der mehr­heit­lich neu­gie­rig und offen für schwie­ri­ge­re Her­aus­for­de­run­gen. Die Expe­ri­men­tier­freu­de und Lern­be­reit­schaft ist kei­ne Fra­ge von Ver­an­la­gung oder Talent, son­dern eine Fra­ge der Hal­tung. Growth Mind­set, eine wachs­tums­ori­en­tier­te Hal­tung, nennt Carol Dweck das.

It is no lon­ger suf­fi­ci­ent to have one per­son lear­ning for the orga­niza­ti­on, a Ford or a Slo­an or a Wat­son or a Gates. […] The orga­niza­ti­ons that will tru­ly excel in the future will be the orga­niza­ti­ons that dis­co­ver how to tap peo­p­le’s […] capa­ci­ty to learn at all levels in an organization.
Peter Sen­ge, The Fifth Discipline

Über­tra­gen auf die Orga­ni­sa­ti­on bedeu­tet das, dass es eben nicht reicht, die Mit­ar­bei­ter zu muti­gen Expe­ri­men­ten wie im Sili­con Val­ley auf­zu­for­dern. Der Weg zu einer Lern­kul­tur beginnt bei der Füh­rung, denn die­se prägt ganz maß­geb­lich, was in der Orga­ni­sa­ti­on geschätzt, aner­kannt, gelobt und beför­dert wird. Wer aus­schließ­lich Talent, Exper­ten­tum und Pro­zess­hö­rig­keit för­dert, Feh­ler und Schei­tern ver­steckt, braucht sich über Mut­lo­sig­keit nicht zu bekla­gen. Die Kul­tur­ver­än­de­rung beginnt damit, das Ler­nen – im Erfolg wie im Miss­erfolg – in den Vor­der­grund stel­len. Genau die­se Kul­tur­ver­än­de­rung aber wird einen deut­li­chen Unter­schied machen auf dem Weg der Trans­for­ma­ti­on von Orga­ni­sa­tio­nen hin zu mehr Agi­li­tät und Anpas­sungs­fä­hig­keit. Wun­der­bar erkannt und zusam­men­ge­fasst hat das Satya Nadel­la, der damit eine beein­dru­cken­de Ver­än­de­rung bei Micro­soft begann. 

Cul­tu­re is some­thing that needs to adapt and chan­ge, and you’ve got to be able to have a lear­ning cul­tu­re. The intui­ti­on I got was from obser­ving what hap­pens in schools. I read a book cal­led Mind­set. In the­re there’s this very simp­le con­cept that Carol Dweck talks about, which is if you take two peo­p­le, one of them is a learn-it-all and the other one is a know-it-all, the learn-it-all will always trump the know-it-all in the long run, even if they start with less inna­te capability.

That is true for boys and girls in schools. It’s true for CEOs in their jobs. It’s true for every employee at Micro­soft. I need to be able to walk out of here this evening and say, “Whe­re was I too clo­sed-min­ded, or whe­re did I not show the right kind of atti­tu­de of growth in my own mind?” If I can get it right, then we’re well on our way to having the cul­tu­re we aspi­re to.
Satya Nadel­la



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2 Kommentare

Marlon 23. November 2017 Antworten

Dei­ne Gedan­ken zu lesen, ist immer wie­der toll.
Teils bestä­ti­gend, berei­chernd und vor allem anregend.
Manch­mal wün­sche ich mir noch mehr Tie­fe, was aber für ein
ent­stan­de­nes Inter­es­se spricht ;).

Dan­ke
Marlon

Marcus Raitner 23. November 2017 Antworten

Vie­len Dank, Mar­lon. Das freut mich sehr. Es ist immer eine Grat­wan­de­rung zwi­schen Kür­ze und Tie­fe, die mir manch­mal bes­ser und manch­mal weni­ger gut gelingt.

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