Führen mit Hingabe

Führung ent­fal­tet ihre Wir­kung in zwei Dimen­sio­nen: inhalt­lich-visio­när im Sin­ne des Wofür genau­so wie mensch­lich-berüh­rend im Sin­ne des Wir. Gute Füh­rung ist geprägt von Hin­ga­be in die­sen bei­den Dimen­sio­nen. Durch den eige­nen vor­bild­li­chen Ein­satz für die gemein­sa­me Sache einer­seits und durch die Lie­be zu den Men­schen und den Glau­ben an ihre Talen­te ent­facht sie Begeis­te­rung, reißt mit und ver­än­dert so die Welt – im Klei­nen wie im Großen.

Die Lebens­we­ge von Men­schen wie Mahat­ma Gan­dhi, Mar­tin Luther King, Nel­son Man­de­la, Aung San Suu Kyi oder Shirin Eba­di sind geprägt von Mut, Über­zeu­gung, Hin­ga­be einer­seits und einer gro­ßen Men­schen­lie­be ande­rer­seits. Natur­ge­mäß ver­schwim­men beim The­ma Men­schen­rech­te die inhalt­li­che und die mensch­li­che Dimen­si­on von Füh­rung, so dass eine star­ke Über­zeu­gung und Hin­ga­be in der Sache (zum Bei­spiel der Kampf gegen die Auf­he­bung von Ras­sen­tren­nung) auch immer die Men­schen betrifft und somit auto­ma­tisch die­se auch berührt und begeis­tert. In Wirt­schafts­un­ter­neh­men und ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen ist das lei­der nur sel­ten der Fall.

The pur­po­se of life is not to be hap­py.  It is to be useful, to be hono­rable, to be com­pas­sio­na­te, and to have it make some dif­fe­rence that you have lived and lived well.

Ralph Wal­do Emerson

Im Gegen­teil fin­det in vie­len Unter­neh­men Füh­rung wenig über­zeugt und wenig über­zeu­gend statt. Der All­tag ist bestimmt von belie­bi­gen Zie­len (Share­hol­der-Value!) zu deren Errei­chung das genorm­te Mit­ar­bei­ter­ma­te­ri­al ein­zu­set­zen ist, das in aus­rei­chen­der Zahl und Qua­li­tät von Schu­len und Uni­ver­si­tä­ten bereit­zu­stel­len ist (um ein­mal mehr die so schreck­lich unper­sön­li­che Pro­to­koll­spra­che in die­sen Orga­ni­sa­tio­nen zu benut­zen, an denen sich auch T. in mei­nem klei­nen Roman­frag­ment so stör­te). Kein Wun­der also, dass die­ses Mit­ar­bei­ter­ma­te­ri­al regel­mä­ßig im Gal­lup Enga­ge­ment Index bestä­tigt, dass es am liebs­ten Dienst nach Vor­schrift macht (Vor­schrif­ten gibt es ja mehr als genug in den hoff­nungs­los über­re­gu­lier­ten Unter­neh­men, damit von den Ange­stell­ten auch nie­mand was anstellt) und sich Lei­den­schaft und Hin­ga­be lie­ber für den Fei­er­abend und das Wochen­en­de spart.

Gallup Engagement Index Deutschland 2001-2018

Wo Unter­neh­men wie see­len­lo­se Maschi­nen gebaut und betrie­ben wer­den und wo Men­schen als Zahn­räd­chen ein­ge­setzt wer­den, dort ist mehr als Dienst nach Vor­schrift auch gar nicht zu erwar­ten. Mit die­sem Bau­prin­zip ließ sich in den eini­ger­ma­ßen sta­bi­len und trä­gen Märk­ten der Ver­gan­gen­heit (vgl. die Tay­lor-Wan­ne von Ger­hard Woh­l­and) ganz ordent­lich Gewinn erwirt­schaf­ten, mehr aber auch nicht und schon gar nicht die Welt ver­än­dern. Schon des­we­gen nicht, weil Pro­fit zum Selbst­zweck wur­de und es des­halb gar kein gemein­sa­mes Wofür mehr gibt, das als Leit­schnur zur Anknüp­fung für die Men­schen die­nen könnte. 

Durch die Lei­den­schaf­ten lebt der Mensch, durch die Ver­nunft exis­tiert er bloß.

Nico­las Chamfort

Hier und heu­te in den hoch-ver­netz­ten, dyna­mi­schen und glo­ba­len Märk­ten in einer Zeit in der es „nor­mal ist, dass vie­les anders ist und immer schnel­ler anders wird“ (Karl-Heinz Geiß­ler) ist die­se Ver­schwen­dung von Human­po­ten­ti­al brand­ge­fähr­lich. Für die Unter­neh­men einer­seits, was aber zu ver­schmer­zen wäre, weil ja neue ent­ste­hen wo ande­re unter­ge­hen, aber ande­rer­seits eben auch für die Gesell­schaft und die Mensch­heit ins­ge­samt. Die drän­gen­den Pro­ble­me unse­rer Zeit, allen vor­an der Kli­ma­wan­del, der eher ein Kli­ma­kol­laps zu wer­den droht, wer­den sich nur mit ver­ein­ten Kräf­ten lösen las­sen. Dazu aber braucht es ech­te Füh­rung mit Hin­ga­be für die Sache und für die betrof­fe­nen Menschen. 

Your work is going to fill a lar­ge part of your life, and the only way to be tru­ly satis­fied is to do what you belie­ve is gre­at work. And the only way to do gre­at work is to love what you do. If you haven’t found it yet, keep loo­king. Don’t sett­le. As with all mat­ters of the heart, you’ll know when you find it.

Ste­ve Jobs

Hin­ga­be hat lei­der auch einen Hang zur Beses­sen­heit und den Bei­geschmack der Auf­op­fe­rung. Elon Musk, Ste­ve Jobs (und ins­be­son­de­re dem frü­hen Ste­ve Jobs) und vie­len ande­ren Grün­dern im Sili­con Val­ley kann wahr­lich kein Man­gel an Lei­den­schaft für eine visio­nä­re Zukunft nach­ge­sagt wer­den. Ihre Hin­ga­be in der Sache ist unbe­strit­ten eben­so wie ihr teils recht empa­thie­be­frei­ter Umgang mit ihren Mit­ar­bei­tern berüch­tigt ist.

Ihre Lei­den­schaft für das gemein­sa­me Ziel kom­pen­siert zwar offen­bar für man­ches Defi­zit in der mensch­li­chen Dimen­si­on von Füh­rung, aber wie viel mehr erreicht wer­den könn­te, zeigt ins­be­son­de­re das Bei­spiel von Ste­ve Jobs in sei­ner zwei­ten „Amts­pe­ri­ode“ bei Apple von 1997 bis zu sei­nem Tod im Jahr 2011. Genau die­ses per­sön­li­che Wachs­tum von Ste­ve Jobs in der mensch­li­chen Dimen­si­on von Füh­rung behan­deln Brent Schlen­der und Rick Tet­ze­li in ihrem sehr lesens­wer­ten Buch „Beco­ming Ste­ve Jobs: The Evo­lu­ti­on of a Reck­less Upstart into a Visio­na­ry Lea­der“ (Ama­zon Affi­lia­te-Link) und sehen dar­in zu Recht einen wesent­li­chen Bei­trag zum Wie­der­auf­stieg von Apple. Und die­ser Auf­stieg wur­de ein­ge­läu­tet mit dem legen­dä­ren „Think Dif­fe­rent“ Wer­be­spot, in dem es um Men­schen und um ihre Hin­ga­be geht: Here’s to the cra­zy ones!

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

1 Kommentar

Vie­len Dank für Dei­ne Gedan­ken, denen Du Wor­te fol­gen lässt, die zu Taten füh­ren, Marcus.

Erst muss es ums Prin­zip gehen, bevor es an die Sache gehen kann.

Vie­le ver­stol­pern die­sen Schritt im Irr­glau­ben des Effizienzwahns.
Sie füh­len sich getrie­ben und füh­len sich von ihrer Umwelt überfordert.
Die einen 15% neh­men Anteil und stei­gen ein wäh­rend die ande­ren 15+70% aus­stei­gen und nur for­mal mit dabei sind.

Die Fra­ge lau­tet: was ver­birgt sich hin­ter der Lei­den­schaft, der Passion?

Wel­ches Bedürf­nis adres­siert ein Pro­dukt, das einen Bedarf deckt?
Erst, wenn die Vor­stel­lung davon bei den­je­ni­gen ent­stan­den ist, die Abhil­fe leis­ten kön­nen, dann erst ent­wi­ckelt sich dar­aus ein Pro­dukt mit „durch­schla­gen­dem Erfolg“.

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