In einer Zeit, in der es „normal ist, dass vieles anders ist und immer schneller anders wird“ (Karl-Heinz Geißler) steht auch und insbesondere die Rolle der Führung mindestens zur Diskussion und in Teilen sogar in Frage. Führung muss die Selbstführung der anvertrauten Mitarbeiter zum Ziel haben. Führung heißt, andere erfolgreich zu machen. Diese menschliche Führung ist keine Frage der Position, sondern eine Frage der Haltung. Diese Haltung und die Werte neuer, agiler, digitaler und vor allem menschlicher Führung beschreibt dieses Manifest.
Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll.
Georg Christoph Lichtenberg
Dieses Manifest entstand als erster Versuch einer Antwort auf die Frage nach Führung im Rahmen der agilen Transformation. Diese Reise hin zu mehr Agilität und Selbstorganisation angesichts von VUCA, Digitalisierung und Disruption ist aber nur der willkommene Anlass, schon länger bestehende Konzepte wie dienender Führung mit neuem Leben zu füllen. Das Manifest beruht auf den Vorarbeiten von Peter F. Drucker zur Wissensarbeit und der Führung von Wissensarbeitern sowie auf dem positiven Menschenbild der Theorie Y aus Douglas McGregors (viel zu wenig beachteten) Buch „The Human Side of Enterprise“. In diesem Sinne darf der Titel des Manifests gerne als Anspielung darauf verstanden werden.
Manifest für menschliche Führung
Wir glauben, dass der Mensch im Mittelpunkt steht und nicht bloß Mittel und Arbeitskraft ist. Wir glauben an die Kreativität, Leistungsbereitschaft und Motivation der Menschen. Wir sind keine philanthropischen Idealisten, sondern betrachten menschliche Führung als entscheidenden Erfolgsfaktor in unserer hoch-vernetzten hoch-komplexen Welt. Wir sehen die Aufgabe von Führung darin, dem Leben zu dienen und nach Rahmenbedingungen zu streben, in denen sich Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit bestmöglich einbringen, entfalten und gemeinsam erfolgreich arbeiten können. Dabei sind uns die folgenden Werte wichtig:
Entfaltung menschlichen Potentials
mehr als Einsatz menschlicher Ressourcen (Weiterlesen)
Diversität und Dissens
mehr als Konformität und Konsens (Weiterlesen)
Sinn und Vertrauen
mehr als Anweisung und Kontrolle (Weiterlesen)
Beiträge zu Netzwerken
mehr als Positionen in Hierarchien (Weiterlesen)
Anführer hervorbringen
mehr als Anhänger anführen (Weiterlesen)
Mutig das Neue erkunden
mehr als effizient das Bekannte ausschöpfen (Weiterlesen)
Das heißt, dass auch die Werte unten wichtig sind, wir aber die hervorgehobenen Werte oben höher einschätzen.
Die englische Fassung des Manifests gibt auch als Poster.
25 Kommentare
Good job.
Danke, Patrick!
Das unterschreibe ich hiermit… sehr gute Übersetzung des agilen Manifests auf das Thema Führung.
André
Vielen Dank! Freut mich sehr.
Hallo Marcus,
danke Dir dafür und ich galube das bringt den unbedingt nötigen Wandel in der Führungsrolle und deren zukünftiges Verständnis sehr gut auf den Punkt.
Viele Grüße
Wolfgang
Vielen Dank, Wolfgang! Das freut mich sehr!
Lieber Marcus!
Dieses Manifest spiegelt genau meinen Zugang zu gesunder und resonanter Führung wieder.
Ich kenne es aus der Praxis leider meist noch anders, aber ich glaube fest daran, dass sich das ändern muss/wird!
Lieben Gruß
Katrin
Vielen Dank, liebe Katrin! Wenn wir es in der Praxis nicht vielfach anders erlebten, bräuchten wir das Manifest ja nicht.
Das Manifest hat mich überzeugt, ist mit vielen Zitaten untermauert und gut durchdacht. Vielen Dank!
Es liest sich vieles so einfach und gleichzeitig treffen für mich die Aussagen von Scrum zu:
– lightweiht
– simple to unterstand
– difficult to master
Packen wir es an!
Vielen Dank! Das freut mich wirklich sehr. Packen wir es an!
Hallo Marcus,
inspirierende und so gut beschriebene Gedanken in Deinem Manifest. Bin froh, dass mich Kollegen auf Dich aufmerksam machten.
Ich wünsche uns allen viel Erfolg bei der Veränderung des Miteinanders.
Danke für Deine Offenheit und Zeit!
Stefan
Vielen Dank für Deine Wertschätzung und Deine Unterstützung!
>Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. <
Hallo Marcus,
und ich bin der festen Überzeugung das Elefanten auf dem Wasser tanzen können.
Hier eine wahre Anekdote :
Wie leicht man sich eine Meinung bildet, ohne alle Fakten zu kennen, zeigt eine Anekdote von John Locke (1632 — 1704) über den niederländischen Gesandten und den König von Siam: Der Gesandte erzählte dem König von seiner Heimat und sagte, dass in Holland Elefanten manchmal auf dem Wasser laufen können. Das konnte der König nicht glauben. Er dachte, der Gesandte hätte ihn angeschwindelt. In Wirklichkeit hatte dieser aber nur etwas beschrieben, was der König aus eigener Erfahrung nicht kannte. Er wusste nicht, dass Wasser zu Eis gefrieren und dann sogar das Gewicht eines Elefanten tragen kann. Es schien ihm unmöglich, weil er nicht alle Fakten hatte.
nach dem Motto:
Wunder sind doch möglich. Ich glaube also dir !
lg
Mario
Vielen Dank, Mario! Eine sehr schöne Anekdote.
Lieber Marcus
was für ein tolles Buch mit Herz und Verstand auf den Punkt gebracht. Mir aus der Seele geschrieben – danke dafür.
Wo kann ich das Poster zum Manifesto for Human Leadership bekommen?
Rock on with Heart & Soul,
Iris
Liebe Iris, herzlichen Dank für Deine Anerkennung (freue mich auch über eine kurze Rezension bei Amazon). Ein eher textlastiges Poster gibt es hier im Blog und eine sehr schöne Sketchnote im A0-Format in drei Sprachen gibt es bei Sabina Lammert.
Lieber Marcus,
die Amazon Rezension mache ich gern :-).
Wie kann ich das bzw. die Poster bestellen?
Herzliche Grüße
Iris
Liebe Iris, das hätte ich dazu sagen sollen: Einfach bei einem Druckservice deiner Wahl im Internet. Insbesondere Sabina hat die Poster als A0 Druckvorlage veröffentlicht.
Hallo Marcus, ich habe dein Buch gerade am Wickel und mag sehr das Plakat. Nun würde ich die Thesen des Manifests gern in die Führung tragen und frage daher an, ob es das Plakat auch in Deutsch gib, denn die englische Version erschließt sich einem Deutschen m.E. nicht einfach genug. Ich würde mich sehr freuen und den einen oder anderen Kaffee spendieren :-) Herzliche Grüße, Jens
Hallo Jens, freut mich sehr. Bin auf das Feedback zum Buch gespannt (gerne auch als Rezension bei Amazon!). Das Plakat hier auf der Seite gibt es nicht auf Deutsch, aber eine viel schönere Sketchnote gibt es in DE / EN / ES von Sabina Lammert in A0-Druckqualität hier: https://www.sabinalammert.com/visuals
Servus, lieber Marcus Rainer,
wow, also das Manifest beeindruckt, berührt und begeistert mich sehr.
Gute und wirksame Führung braucht auch Selbstführung.
Vielen Dank dafür.
Herzlich, Anja Meineke
Vielen Dank! Das freut mich sehr.
Lieber Marcus,
herzlichen Dank für die vielen Impulse und wertvollen Inhalte auf Deinen Seiten. Das Manifest für eine menschliche Führung ist eine tolle Ergänzung des agilen Manifests. Absolut sinnvoll und auch in meiner Erfahrung erfolgskritisch für das Navigieren in komplexen Systemen und Kontexten.
Etwas fragend stehe ich vor der Ablehnung des Idealismus (die in der englischen Version nicht vorhanden ist). Was ist gemeint? Warum die Abgrenzung? Sowohl umgangssprachlich als auch im philosophischen Sinne beschreibt das Wort eine Haltung, die aus einer Idee eine Wirklichkeitskonstruktion macht. Den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, ist eine solche Idee & Konstruktion. Das spiegelt sich in den Formulierungen: „wir glauben“, „wir betrachten“, „wir sehen“. ‚Mensch im Mittelpunkt‘ und alle genannten Werte sind im wissenschaftlichen Sinne keine Naturgesetze und keine beweisbare Realität. Auf irgendeine „objektive“ göttliche Entscheidung beruft sich das Manifest dabei auch nicht. Wenn das kein idealistisches Manifest ist, wie würde dann ein solches aussehen?
Diesen Ansatz nicht als Selbstzweck zu sehen, sondern als Erfolgsfaktor, ist ebenfalls eine Idee. Empirisch ist das jedenfalls nicht ganz leicht nachzuweisen, denn erstens ist Erfolg hier gar nicht definiert und zweitens haben andere Ansätze durchaus auch wirtschaftlichen Erfolg. Welcher Ansatz sich in welchen Kontexten durchsetzt, scheint mir keinesfalls ausgemacht.
Ich habe jetzt mal den wirtschaftlichen Erfolg als Messgröße genannt, weil das Manifest da nicht so klar ist und um zu verdeutlichen, wie wichtig es sein könnte, hier einer Festlegung zu treffen. Das Manifest deutet tatsächlich an, dass Erfolg (über das Mittel Führung) etwas damit zu tun haben könnte, dem Leben zu dienen. Die Frage stellt sich: Welchem Leben? Wer oder was ist hier gemeint?
An diesem Punkt möchte ich eine Idee hinzufügen, die den Gedanken ein Stück weiter trägt und die mir (überlebens)wichtig erscheint, die aber im Wirtschaftskontext oft so behandelt wird, als ob sie zu einer anderen Welt gehört. Was wäre, wenn eine Ergänzung des Manifests einen Schritt weiter ginge und neben den einzelnen Menschen auch die Menschheit in den Blick nähme? Erfolg wäre damit nicht allein die Zielerreichung eines Projekts, einer Organisation, einer Region. Insbesondere wenn dieser Erfolg direkte negative Wirkungen auf andere Menschen, andere Regionen oder sogar für die Lebensgrundlagen der Menschheit insgesamt hat, ist das in einer hoch-vernetzten Welt maximal ein Teilerfolg. Je nach Stärke der negativen Effekte im Gesamtsystem sogar ein krasser Misserfolg.
Diese Sichtweise ist ebenfalls eine Idee und kein Naturgesetz. Sie kommt mir ebenfalls sinnvoll, aber leider noch keinesfalls selbstverständlich vor. Ja, es gibt da bereits viele positive Aktivitäten – aber die gab es in Bezug auf das Thema ‚Mensch im Mittelpunkt‘ vor dem Manifest auch. Und es ist genau der gleiche Punkt: Durch die Lenkung von Aufmerksamkeit eine Praxis zu etablieren, in der wir immer nach Lösungen suchen, die auf Menschen, Menschheit und das planetare Leben allgemein regenerativ statt degenerativ wirken. Das wäre ein Ideal, das eine breite Orientierung bietet und ganz reale Wirkungen entfalten könnte.
Wir scheinen als Menschheit durchaus an einem Punkt zu sein, an dem wir den Gesamterfolg des Lebens messbar gefährden, wenn wir diese Fragen irgendwie außerhalb der Reichweite von Führung in Wirtschaftskontexten platzieren. Die genannten Werte passen recht gut: Es braucht Mut, die Dinge größer und integrierter zu denken, es braucht Beiträge auch zu den Netzwerken, die unser Leben und unsere Entfaltung erst ermöglichen und es braucht Sinn-Entwürfe, die nicht beliebig sind, wenn wir den Generationen, die nach uns kommen, die Möglichkeit erhalten wollen, überhaupt noch über Sinnfragen zu philosophieren. All das müssen wir nicht tun – es scheint mir jedoch eine logische Konsequenz der Idee eines wertebasierten „humane leadership“ zu sein. Wenn wir uns als Menschen gedanklich in den Mittelpunkt der Welt stellen, sollten wir möglichst viele der uns umschließenden Systemebenen mitdenken.
Was meinst Du? Wäre das ein nächster Schritt? Ich biete mich gern an, diesen Ansatz gemeinsam weiterzuverfolgen.
Viele Grüße,
Matthias
Lieber Matthias, jetzt musste ich tatsächlich beide Einleitungen um Manifest (DE und EN) nochmals lesen. Danke, dass du dich so aufmerksam und kritisch damit auseinandersetzt. In der Tat könnte man die (recht scharf formulierte) Abgrenzung zum Idealismus weglassen, so wie ich es im Englischen gemacht habe. Mir ging es an der Stelle darum, dass es heute meiner Meinung nach (und ja, das ist eher ein Glaube als empirisches Wissen, wobei es ein paar Beispiele ja schon gibt) für Organisationen überlebenswichtig ist, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen. Kurz: Es ging mir um Wertschöpfung durch Wertschätzung, wie das Bodo Janssen ausdrückt.
Dein weiterführender Gedanke das auf die Menschheit und die Gesellschaft zu erweitern gefällt mir außerordentlich gut. Das ist bisher so nicht im Manifest abgedeckt, aber für die drängenden Probleme unserer Zeit unabdingbar. Tatsächlich habe ich in letzter Zeit auch schon einen ersten Artikel in diese Richtung geschrieben: Führung jenseits der Mauern. In einer zweiten Auflage des Buchs werde ich das auf jeden Fall stärker berücksichtigen.
Hallo, eine sehr Interessante Interpretation der modernen/agilen „Führung“. Danke für die Denkanstöße und die neue Perspektive. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob ich „Führen“ möchte oder eher eine Rolle übernehmen möchte, die die Aspekte des Führens beinhaltet. Aus meiner Sicht ist der Begriff „Führung“ bzw. noch schlimmer „disziplinarische Führung“ heutzutage eher negativ behaftet, daher bin ich auf der Suche nach einem neuen Begriff für eine Rolle die Unterstützung, Motivation besser beschreibt