Das war 2019: Ein Jahr im Fluss

Für mich war 2019 ein Jahr im Fluss. Vie­les hat sich ver­än­dert und eini­ges hat sich ein­fach erge­ben, ent­stan­den aus der Situa­ti­on und den vor­han­de­nen Mög­lich­kei­ten. Aus dem Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung wur­de unge­plant ein Buch und ich damit Autor durch Zufall. Die Nach­fra­ge nach dem Buch befeu­er­te das Inter­es­se an den The­men unse­rer agi­len Trans­for­ma­ti­on und umge­kehrt. Und dar­aus erga­ben sich mehr Vor­trä­ge, Work­shops, Dis­kus­sio­nen und neue Kon­tak­te denn je. Für all das bin ich rück­bli­ckend sehr dankbar.

Autor durch Zufall

https://twitter.com/marcusraitner/status/959845088481464321

Alles begann vor fast zwei Jah­ren mit die­sem Tweet. Dem vor­aus­ge­gan­gen war ein Work­shop in der BMW Group IT, in dem vier Hier­ar­chie­ebe­nen dar­über nach­dach­ten, wie sich Füh­rung durch den Wan­del hin zu mehr Agi­li­tät, Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und Sub­si­di­ar­ti­tät ver­än­dern muss. Am Ende die­ses Work­shops stand irgend­wie die Idee im Raum, unse­re unfer­ti­gen Über­le­gun­gen zu Füh­rung im Sti­le des Mani­fests für agi­le Soft­ware­ent­wick­lung zusam­men­zu­fas­sen. Genau das tat ich dann zunächst auf Twit­ter und Lin­ke­dIn und dann im Febru­ar 2018 in Form des Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung hier im Blog.

Als der ers­te Jah­res­tag des Mani­fests im Febru­ar die­ses Jah­res näher rück­te, woll­te ich eigent­lich zunächst nur eine Aktua­li­sie­rung des Mani­fests machen und bei­spiels­wei­se „Fra­gen stel­len mehr als Ant­wor­ten geben“ ergän­zen. Irgend­wie stol­per­te ich dann aber über Lean­pub und beschloss, das Mani­fest mit allen dazu­ge­hö­ri­gen Arti­keln als E‑Book zu ver­öf­fent­li­chen.

Die posi­ti­ve Reso­nanz auf das E‑Book brach­te mich auf die Idee, dass ein gedruck­tes Buch auch sehr schön wäre, nicht zuletzt weil man das jeman­dem im wahrs­ten Sin­ne des Wor­tes an die Hand geben kann. Also ent­staub­te ich mei­ne seit mei­ner Pro­mo­ti­on ver­ges­se­nen LaTeX-Kennt­nis­se (wie das Fahr­rad­fah­ren scheint man auch das nicht wirk­lich zu ver­ler­nen) und über­ar­bei­te­te das E‑Book noch­mals kom­plett zu einem Taschen­buch, das seit 10.4.2019 bei Ama­zon (nur in der deut­schen Fas­sung … bis­her jeden­falls) erhält­lich ist. 

Schon die ers­ten 100 ver­kauf­ten Exem­pla­re mach­ten mich sehr stolz, genau­so wie die ers­ten fünf Ster­ne bei Ama­zon. Nie hät­te ich aber mit den der­zeit fast 3.000 ver­kauf­ten Exem­pla­ren und 51 Ster­ne­be­wer­tun­gen mit einem Durch­schnitt von 4,7 bei Ama­zon gerech­net. Und am aller­we­nigs­ten hät­te ich mit so talen­tier­ten Lesern wie Sabi­na Lam­mert gerech­net, die uns allen die­ses groß­ar­ti­ge Pos­ter zum Buch zum Geschenk gemacht hat. Ihr fin­det es übri­gens als A0-Druck­vor­la­ge in Deutsch, Eng­lisch und Spa­nisch auf Sabi­nas Sei­te.

Sketch­no­te zum Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung von Sabi­na Lammert

Agile Transformation und neue Führung

Foto: WEKA Indus­trie Medi­en | Mathi­as Heschl & Sophie Kirchner

Zum anhal­tend hohen Inter­es­se an unse­rer agi­len Trans­for­ma­ti­on, die ich schon 2018 auf ver­schie­de­nen Ver­an­stal­tun­gen prä­sen­tie­ren und dis­ku­tie­ren durf­te, kam die­ses Jahr noch ein ver­stärk­tes Inter­es­se am Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung. Ent­spre­chend hat­ten mei­ne vie­len Vor­trä­ge und Work­shops die­ses Jahr immer die bei­den Schwer­punk­te agi­le Trans­for­ma­ti­on und neue Füh­rung, wie zum Bei­spiel in die­sem Video.

Cube­wa­re Kun­den­tag 2019

Apro­pos Work­shops: Das Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung eig­net sich nicht nur zum Selbst­stu­di­um son­dern ins­be­son­de­re als Rah­men, um in einem Work­shop gemein­sam über Füh­rungs­prin­zi­pi­en und Füh­rungs­ver­hal­ten nach­zu­den­ken. Als klei­ne Inspi­ra­ti­on habe ich zwei ent­spre­chen­de For­ma­te frei zur Ver­fü­gung gestellt: Ein­mal für meh­re­re klei­ne­re Grup­pen und ein­mal für eine grö­ße­re Grup­pe.

Anfra­gen für 2020 ger­ne per E‑Mail oder Three­ma (ID: F9KX44FS)

Die Top‑5 Artikel 2019

Im zehn­ten Jahr betrei­be ich nun in die­sem Blog die Kunst der all­mäh­li­chen Ver­fer­ti­gung der Gedan­ken beim Schrei­ben (in Anleh­nung an „Über die all­mäh­li­che Ver­fer­ti­gung der Gedan­ken beim Reden“ von Hein­rich von Kleist). Und so ent­stan­den auch 2019 wie­der 50 Arti­kel jeweils in deut­scher und eng­li­scher Spra­che. Und die­se führ­ten in 2019 (zusam­men mit allen ande­ren Arti­keln der letz­ten Jah­re) zu deut­lich über 200.000 Sei­ten­auf­ru­fen bei mehr als 130.000 Besu­chen, also bei­na­he einer Ver­dopp­lung der Zugriffs­zah­len gegen­über dem Vor­jahr. Die meist­ge­le­se­nen Arti­kel waren dabei die fol­gen­den fünf.

Irrwege der agilen Transformation

Nicht über­all, wo Trans­for­ma­ti­on in Leucht­buch­sta­ben drauf­steht, ist auch Trans­for­ma­ti­on drin. Es beginnt mit der irri­gen Annah­me, mit Agi­li­tät lie­ße sich die Mit­ar­bei­ter­leis­tung wie mit Kraft­fut­ter stei­gern. Fehl­ge­lei­tet von die­sem Ver­spre­chen von mehr Effi­zi­enz, wird die Trans­for­ma­ti­on dann aber umso über­zeug­ter von oben ange­ord­net und bewähr­te Blau­pau­sen (Spo­ti­fy und Co.) aus­ge­rollt. Das führt schließ­lich dazu, dass die bestehen­den ver­krus­te­ten Struk­tu­ren und Abläu­fe „agi­li­siert“ wer­den ohne sie kon­se­quent zu hin­ter­fra­gen. Am Ende bleibt kaum Trans­for­ma­ti­on son­dern nur agi­ler Eti­ket­ten­schwin­del: Same same but different.

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Die fünf Prinzipien des Lean Managements als Grundlage des agilen Manifests

Um Agi­li­tät his­to­risch rich­tig ein­ord­nen zu kön­nen, muss man bis zu den Prin­zi­pi­en des Lean Manage­ments zurück­zu­ge­hen. Agi­li­tät im Sin­ne des agi­len Mani­fests von 2001 kann so als Anwen­dung der fünf Lean Prin­zi­pi­en auf Soft­ware­ent­wick­lung ver­stan­den wer­den. Der Fokus von Agi­li­tät liegt auf der schnel­len Lie­fe­rung von Kun­den­wert durch funk­tio­nie­ren­de Soft­ware. Und der opti­ma­le Fluss dafür ent­steht im inter­dis­zi­pli­nä­ren selbst­or­ga­ni­sier­ten Team, das den kom­plet­ten Wert­strom von der Idee bis zum Betrieb der Soft­ware abdeckt.

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Anpassungsschmerzen im Großkonzern

Mehr als ein­mal wur­de ich 2015 nach mei­nem Wech­sel von dem klei­nen, aber fei­nen Start­up esc Solu­ti­ons zur BMW Group IT gefragt, ob das wirk­lich mein Ernst sei. Und ehr­lich gesagt frag­te ich mich das im ers­ten Halb­jahr 2015 auch mehr als ein­mal. Eine kur­ze bil­der­rei­che Geschich­te über Anpas­sungs­schmer­zen im Groß­kon­zern und wie ich dadurch mei­ne Rol­le als Orga­ni­sa­ti­ons­re­bell und Hof­narr fand.

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Kultur folgt Struktur oder der unverstandene Scrum-Master

Aus sei­ner jahr­zehn­te­lan­gen Erfah­rung mit der agi­len Trans­for­ma­ti­on von Orga­ni­sa­tio­nen und ins­be­son­de­re mit der Ein­füh­rung des von Bas Vod­de und ihm ent­wi­ckel­te Modell LeSS hat Craig Lar­man meh­re­re Beob­ach­tun­gen als „Larman’s Laws of Orga­niza­tio­nal Beha­vi­or“ zusam­men­ge­fasst. Die­se „Gesetz­mä­ßig­kei­ten“ beschrei­ben sehr schön in ver­schie­de­nen Facet­ten das Behar­rungs­ver­mö­gen hier­ar­chi­scher Struk­tu­ren, die impli­zit immer danach stre­ben, den Sta­tus quo des mitt­le­ren und des Top-Manage­ments und gene­rell von eta­blier­ten Macht­struk­tu­ren unan­ge­tas­tet zu las­sen. Beson­ders hart trifft das die unver­stan­de­ne und unter­schätz­te Rol­le des Scrum-Masters.

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Unboss statt Egomanen an der Spitze

Zei­ten der Ver­än­de­rung sind Zei­ten der Ver­un­si­che­rung. Ein Reak­ti­ons­mus­ter auf die­se Ver­un­si­che­rung ist der Ruf nach Hel­den und star­ken Füh­rern, die Ord­nung ins Cha­os brin­gen und den Weg wei­sen. Auf gesell­schaft­li­cher und poli­ti­scher Ebe­ne erle­ben wir des­halb ein Erstar­ken von natio­na­lis­ti­schen Ten­den­zen und zuneh­men­de Popu­la­ri­tät von Poli­ti­kern, deren Bei­trag im Wesent­li­chen dar­in besteht, die Kom­ple­xi­tät der Welt unzu­läs­sig zu ver­ein­fa­chen durch Ein­tei­lung in schwarz und weiß, gut und falsch, wir und die und ande­re fal­sche Dicho­to­mien. In Zei­ten digi­ta­ler Dis­rup­ti­on wächst auch in Unter­neh­men die Angst. Und wäh­rend man sich vie­ler­orts dann eben den star­ken Füh­rer her­bei­wünscht, machen wirk­lich star­ke Füh­rungs­per­sön­lich­kei­ten wie Vas Nara­sim­han bei Nov­ar­tis das Gegen­teil: „Unboss your Company!“

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Wie geht es weiter?

Ganz ehr­lich: Ich weiß es nicht. Es wird sich zei­gen im Sin­ne des Wu wei (無為). So lau­tet der zen­tra­le Begriff des Dao­is­mus. Erst­mals erwähnt wird er im Dao­de­jing, das der Legen­de nach auf den Wei­sen Lao­zi (ca. 6. Jahr­hun­dert v. Chr.) zurück­geht. Wört­lich über­setzt bedeu­tet „Wu“ ein­fach „Nicht“, also eine Nega­ti­on, und „Wei“ bedeu­tet Tun, Han­deln oder Anstren­gung. Wört­lich über­setzt heißt Wu Wei also Nicht-Han­deln. Gemeint ist damit aber nicht Untä­tig­keit oder Faul­heit, son­dern die „Ent­hal­tung eines gegen die Natur gerich­te­ten Han­delns“ (Wiki­pe­dia) oder „Han­deln ohne zu erzwingen“.

Act wit­hout doing;
work wit­hout effort.
Think of the small as lar­ge
and the few as many.
Con­front the dif­fi­cult
while it is still easy;
accom­plish the gre­at task
by a series of small acts.

Dao­de­jing

Wu wei meint also – ganz im Sinn der Agi­li­tät – das Erken­nen und Nut­zen der Mög­lich­kei­ten im Hier und Jetzt und dar­aus dann das Ler­nen Schritt für Schritt. So ent­steht unge­plant und ohne Zwang im Fluss der Din­ge aus klei­nen Schrit­ten Gro­ßes. So wird es auch 2020 sein und ich wer­de auch 2020 rück­bli­ckend die Punk­te wie­der sinn­voll ver­bin­den kön­nen, auch wenn ich hier und heu­te nicht weiß, wel­che das kon­kret sein wer­den. In die­sem Sin­ne wün­sche ich allen Lesern erhol­sa­me Fei­er­ta­ge und eine guten Start in das Jahr 2020!

You can’t con­nect the dots loo­king for­ward; you can only con­nect them loo­king back­wards. So you have to trust that the dots will somehow con­nect in your future. You have to trust in some­thing – your gut, desti­ny, life, kar­ma, wha­te­ver. This approach has never let me down, and it has made all the dif­fe­rence in my life.

Ste­ve Jobs


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2 Kommentare

Kurt Koch - Cadosi 20. Dezember 2019 Antworten

Hal­lo Marcus

Ich bin fleis­si­ger Leser dei­nes Blogs und war­te jeweils gespannt auf den nächs­ten. Dei­ne Bei­trä­ge ent­hal­ten vie­le Denk­an­stös­se und lösen Dis­kus­sio­nen aus. Genau das was wir für eine Trans­for­ma­ti­on brauchen.
Des­halb möch­te ich mich bei dir ganz herz­lich bedan­ken und hof­fe, dass du wei­ter­hin so fleis­sig schreibst!
Auch ich wün­sche dir fro­he Fest­ta­ge und einen guten Start ins neue Jahr

Freund­li­che Grüsse
Kurt

Marcus Raitner 1. Januar 2020 Antworten

Vie­len Dank, lie­ber Kurt! Das Feed­back freut mich wirk­lich sehr.

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