Das berühmte Gedicht „The Road Not Taken“ von Robert Frost endet mit den Zeilen: „Two roads diverged in a wood, and I — I took the one less traveled by, And that has made all the difference.“ (zu dt.: „Zwei Straßen gingen ab im Wald, und da – Wählt‘ ich jene, die nicht oft beschritten, Und das hat allen Unterschied gemacht.“) Genauso stehen Führungskräfte vor der Wahl zwischen dem romantisch verwachsenen Weg in Richtung einer Führung die wesentlich auf Sinn und Vertrauen und Selbstorganisation beruht einerseits und dem schon reichlich ausgetretenen Pfad klassisch-hierarchischen Managements mit Anweisung und Kontrolle.
Diese Wahl stellt sich von jeher, aber jetzt in der Krise mit neuer Dramatik, denn nun scheint es nicht mehr eine Entscheidung zwischen gut und besser zu sein, sondern eher eine Frage von Sein oder Nicht-Sein. Insofern braucht es jetzt besonders viel Mut, sich auf den weniger beschrittenen Pfad zu begeben oder ihn – falls schon eingeschlagen – konsequent weiterzuverfolgen. Besonders dann, wenn vielerorts gerade jetzt wieder der starke Kapitän auf der Brücke gepriesen und verlangt wird.
Vielleicht ist es aber gerade wegen der Krise sogar einfacher, diesen Weg in Richtung Sinn und Vertrauen zu gehen. Die Erschütterung einer existentiellen Bedrohung vermag die Menschen in der Organisation wenigstens temporär aus ihrer profanen internen Konkurrenz reißen und im Kampf um das Überleben wieder einen starken Fokus auf einen gemeinsamen Sinn erleben lassen. Die existentielle Not der Krise kann Organisation zusammenschweißen.
Fear of a threat to the community unites. But fear of someone within the community divides and corrodes. It corrupts both him who uses fear and him who fears.
Peter F. Drucker
Entscheidend dafür ist aber, dass Führung gerade jetzt einerseits für psychologische Sicherheit im Inneren und andererseits für schonungslose Klarheit über die Lage, die Bedrohung und die gemeinsame Strategie sorgt. Gelingt das, darf auf die Kreativität und Leistungsbereitschaft der betroffenen Menschen gehofft werden und damit auf Lösungen und Wege, die ein einzelner noch so genialer Kapitän nie erdenken könnte. Fehlt insbesondere die Sicherheit wird das den Keil der Konkurrenz nur noch tiefer zwischen die Menschen treiben.
Die Krise und der gemeinsame Kampf gegen die Bedrohung erfordert Geschlossenheit. Entsteht diese durch Sinn und Vertrauen, eint das die Menschen durch die gemeinsame Erfahrung nachhaltig und die Organisation geht mit gestärktem Wir-Gefühl aus der Krise. Wer hingegen Geschlossenheit durch Anweisung und Kontrolle in einer Kultur von Druck und Angst erzwingen will, erhält nur kurzfristigen Gehorsam und vergibt diese einmalige Chance.
Das Einzige, was die Menschheit zu retten vermag, ist Zusammenarbeit, und der Weg zur Zusammenarbeit nimmt im Herzen der Einzelnen seinen Anfang.
Bertrand Russell (1954), Man’s Peril