Vertrauen ist der Klebstoff des Lebens

In den 1960er Jah­ren lei­te­te der Psy­cho­lo­ge Wal­ter Mischel in Stan­ford eine Rei­he von Stu­di­en, die heu­te gemein­hin als Marsh­mal­low-Test bekannt sind. Kin­dern zwi­schen drei und sechs Jah­ren wur­de in einem Raum ohne wei­te­re Ablen­kung ein Marsh­mal­low auf einem Tel­ler prä­sen­tiert. Der Ver­suchs­lei­ter erklär­te den Kin­dern, dass er den Raum kurz ver­las­sen wür­de und wenn sie es schaf­fen wür­den, den Marsh­mal­low bis zu sei­ner Rück­kehr nicht zu essen, wür­den sie einen zwei­ten erhalten.

Jedem, der selbst Kin­der hat, ist klar, dass die­ser Test eigent­lich ein Fall für die UN-Fol­ter­kon­ven­ti­on ist. Ent­spre­chend schaff­ten es auch nur etwa ein Drit­tel der Kin­der, die vol­len 15 Minu­ten des Tests durch­zu­hal­ten, wobei die Fähig­keit zum soge­nann­ten Beloh­nungs­auf­schub mit dem Alter zunimmt.

Weni­ger bekannt ist eine Vari­an­te die­ses Expe­ri­ments aus dem Jahr 2012. Eine For­scher­grup­pe an der Uni­ver­si­tät Roches­ter schal­te­te dem eigent­li­chen Test ein kur­zes Kunst­pro­jekt vor­aus. Wäh­rend die­ses Pro­jekts erleb­ten die Kin­der, dass der Ver­suchs­lei­ter ver­sprach den Raum kurz zu ver­las­sen, um ihnen bes­se­re Bunt­stif­te bzw. einen schö­ne­ren Auf­kle­ber zu brin­gen. Für eine Grup­pe von Kin­dern kam der Ver­suchs­lei­ter tat­säch­lich mit den ver­spro­che­nen Uten­si­li­en zurück. Das War­ten hat­te sich also gelohnt und der Ver­suchs­lei­ter war ver­läss­lich. Bei der zwei­ten Grup­pe kam der Ver­suchs­lei­ter mit lee­ren Hän­den zurück und ent­schul­dig­te sich, dass er kei­ne bes­se­ren Mate­ria­li­en fin­den konn­te. Die­se Kin­der hat­ten also die Umge­bung als nicht beson­ders ver­läss­lich erlebt.

Das Ergeb­nis des anschlie­ßen­den Marsh­mal­low-Tests ist wenig über­ra­schend, aber in sei­ner Deut­lich­keit doch erstaun­lich. Die Kin­der, die zuvor eine ver­läss­li­che Umge­bung erfah­ren hat­ten, schaff­ten es im Durch­schnitt vier­mal so lan­ge zu war­ten (12 Minu­ten) wie die Kin­der, die vor­her eine unzu­ver­läs­si­ge Umge­bung erfah­ren hat­ten (3 Min) (Kidd, Pal­me­ri, and Aslin 2013).

Auch wenn der Beloh­nungs­auf­schub bei Erwach­se­nen hof­fent­lich bes­ser klappt wie bei Kin­der­gar­ten­kin­dern, soll­te uns der Ein­fluss der Ver­läss­lich­keit der Umge­bung doch zu den­ken geben für die Gestal­tung von Orga­ni­sa­tio­nen und ihrer Kul­tur. Orga­ni­sa­tio­nen sind immer auf die Koope­ra­ti­on von Indi­vi­du­en und Abtei­lun­gen ange­wie­sen. Je höher das Ver­trau­en und die Ver­läss­lich­keit, des­to bes­ser wird die­se Zusam­men­ar­beit gelin­gen. Wenn Men­schen die Orga­ni­sa­ti­on als wenig ver­läss­lich und ver­trau­ens­voll emp­fin­den, wer­den sie den kurz­fris­ti­gen per­sön­li­chen Gewinn prio­ri­sie­ren, anstatt sich auf das gro­ße Gan­ze und den lang­fris­ti­gen Erfolg zu fokus­sie­ren. Füh­rung heißt auch und gera­de durch das eige­ne Vor­bild Ver­trau­en und Ver­läss­lich­keit zu fördern.

Ver­trau­en ist der Kleb­stoff des Lebens. Es ist die wich­tigs­te Zutat für eine effek­ti­ve Kom­mu­ni­ka­ti­on. Es ist das Grund­prin­zip, das alle Bezie­hun­gen zusammenhält.

Ste­ven R. Covey

Literatur

Kidd, Cele­s­te, Hol­ly Pal­me­ri, and Richard N. Aslin. 2013. “Ratio­nal Snack­ing: Young Children’s Decis­i­on-Making on the Marsh­mal­low Task Is Mode­ra­ted by Beliefs about Envi­ron­men­tal Relia­bi­li­ty.” Cogni­ti­on 126 (1): 109 – 14. https://doi.org/10.1016/j.cognition.2012.08.004. (PDF)



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