Mein Doktorvater war ein perfektes Beispiel für das, was Heinrich von Kleist einst die »allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden« genannt hat.
Oft kam er in unser Büro und erklärte uns am Whiteboard, woran er gerade arbeitete. Wir verstanden meist nur einen Bruchteil davon. Es ging ihm auch gar nicht darum, dass wir das Problem besser verstanden, sondern dass er es besser verstand durch das Erklären.
Erst viel später erkannte ich, dass ich komplett anders gestrickt bin. Ich hasse Besprechungen, die den Zweck haben, gemeinsam an einem Foliensatz oder Dokument im Detail zu arbeiten. Nichts gegen kreative Ideenfindung und Brainstorming, aber wenn es um die Detailarbeit geht, denke ich lieber allein und ungestört nach. Und schreibe meine Ergebnisse als Vorbereitung für eine vertiefte Diskussion auf.
Menschen sind sehr unterschiedlich und benötigen unterschiedliche Formate und Medien, um an der Lösungsfindung teilzuhaben und dabei ihre optimale Leistung abrufen zu können. Das wird zur Herausforderung, wo viele Menschen aufeinandertreffen und sich oft genug die präferierte Arbeitsweise des Chefs durchsetzt. Bei Amazon gibt es deshalb sechsseitige »Narrative-Memos«, weil Jeff Bezos offenbar ähnlich tickt wie ich. Und anderswo quellen die Kalender über von ad-hoc Besprechungen ohne Struktur und Agenda, weil dort der Chef seine Gedanken beim Reden verfertigt.
Beides hat seinen Wert und beides muss mit komplementären Formaten ausgeglichen werden, um niemanden abzuhängen.
1 Kommentar
No comment.
Ich muss auch „laut denken“.
Sorry.