Führen heißt entscheiden

Eine ganz wesent­li­che Auf­ga­be von Füh­rung ist es, Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Und zwar so, dass die Betrof­fe­nen bereit sind, den Ent­schei­dun­gen zu fol­gen. Das setzt zual­ler­erst vor­aus, dass die Füh­rungs­kraft ein kla­res Ver­ständ­nis davon hat, was sie ent­schei­den muss und vor allem was sie im Sin­ne der Sub­si­dia­ri­tät nicht ent­schei­den soll und darf. Vie­le Füh­rungs­kräf­te ent­schei­den zwar viel, aber letzt­lich doch nur auf der Arbeits­ebe­ne, was zur Fol­ge hat dass die wich­ti­gen, aber sel­ten drin­gen­den, Ent­schei­dun­gen auf ihrer eigent­li­chen Füh­rungs­ebe­ne nicht oder nur unzu­rei­chend getrof­fen werden.

Fast jede Füh­rungs­kraft war irgend­wann selbst Exper­te und es gewohnt, auf der Arbeits­ebe­ne Pro­ble­me zu lösen und Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Auf­grund sehr guter Leis­tun­gen auf die­ser Arbeits­ebe­ne, wur­de aus dem Exper­ten dann eine Füh­rungs­kraft. Ein­fach so und ohne wirk­lich län­ger über die­se neue Rol­le län­ger nach­zu­den­ken; jeden­falls nicht annä­hernd so lan­ge, wie die Aus­bil­dung zum Exper­ten gedau­ert hat­te. Es ver­wun­dert also wenig, dass die frisch geba­cke­ne Füh­rungs­kraft wei­ter­hin Ent­schei­dun­gen auf der Arbeits­ebe­ne tref­fen will, nur viel brei­ter und umfas­sen­der als vor­her, schließ­lich ist sie doch nun ins­ge­samt dafür ver­ant­wort­lich.

Füh­rungs­kräf­te müs­sen akzep­tie­ren kön­nen, daß sie in ihrer Grup­pe Per­so­nen haben, die mehr wis­sen als sie selbst. Es ist für vie­le spe­zia­li­sier­te Mit­ar­bei­ter ein tra­gi­sches Ereig­nis, daß sie einen Vor­ge­setz­ten haben, der das Wis­sen von ges­tern und die Macht von heu­te hat. Man muß also auch Füh­rung durch die Geführ­ten in Fach­fra­gen zulassen.
Lutz von Rosenstiel

Da sich die­ses Micro-Manage­ment sich für den ehe­ma­li­gen Exper­ten so wich­tig und gut anfühlt und gleich­zei­tig enorm zeit­auf­wän­dig ist, wer­den Ent­schei­dun­gen auf der eigent­li­chen Füh­rungs­ebe­ne gar nicht mehr oder nur sehr ver­zö­gert getrof­fen. Obwohl sich also viel bewegt im Maschi­nen­raum, ist die Brü­cke ver­waist und das Schiff treibt mehr oder weni­ger ziel­los umher (um die schö­ne Ana­lo­gie von Olaf Hinz zu bemühen).

Never con­fu­se action with movement.
Ernest Heming­way

Natür­lich stöhnt ein sol­cher Micro-Mana­ger über die vie­le Arbeit und hin­ter vor­ge­hal­te­ner Hand über die unfä­hi­gen Mit­ar­bei­ter, aber nur weil das in sei­ner Logik sei­ne her­aus­ge­ho­be­ne Posi­ti­on recht­fer­tigt. Viel mehr stöh­nen jedoch die Mit­ar­bei­ter über die unfä­hi­ge Füh­rungs­kraft, die sie ihre Arbeit nicht in Ruhe machen lässt und stän­dig mit aus ihrer Sicht gefähr­li­chem Halb­wis­sen mit­ent­schei­den will. Am meis­ten stöhnt aber das Unter­neh­men, näm­lich dann, wenn das Schiff auf Grund gelau­fen ist.

Ein Mana­ger ist ein Mann, der genau weiß, was er nicht kann, und sich dafür die rich­ti­gen Leu­te sucht.
Phil­ipp Rosenthal

Es ist von grund­le­gen­der Bedeu­tung, dass Füh­rungs­kräf­te erken­nen, auf wel­cher Ebe­ne sie arbei­ten und ent­schei­den müs­sen und auf wel­cher sie ande­re als Exper­ten arbei­ten und ent­schei­den las­sen müs­sen. Dabei ist die eigent­li­che Arbeit der Füh­rungs­kraft immer eher grund­le­gen­der, stra­te­gi­scher und lang­fris­ti­ger Natur und auf die Zukunft gerich­tet, wäh­rend die Arbeits­ebe­ne eher kon­kre­te Ein­zel­fäl­le im Hier und Jetzt sind. Da die­ses Tages­ge­schäft aber immer das drin­gen­de­re ist und sich in gewis­ser Wei­se bes­ser anfühlt, gewinnt es oft die Ober­hand über die ledig­lich wich­ti­ge eigent­li­che Füh­rungs­ar­beit, die sel­ten schnell Wir­kung und damit Befrie­di­gung zeigt.

Nun reicht es aber nicht, als Füh­rungs­kraft ein­sam sei­ne stra­te­gi­schen Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Füh­rung heißt, dass die Betrof­fe­nen bereit sind, die­ser Ent­schei­dung zu fol­gen. Ein Schlüs­sel dazu ist die Nach­voll­zieh­bar­keit von Ent­schei­dun­gen und ins­be­son­de­re Ent­schei­dungs­pro­zes­sen. Nicht unbe­dingt im Sin­ne einer Basis­de­mo­kra­tie (die aber auch einen Ver­such wert und sicher­lich nicht defi­zi­tä­rer als manch klas­sisch hier­ar­chi­scher Ent­schei­dungs­weg wäre), aber die Auf­ga­be der Füh­rungs­kraft ist es doch, die Mit­ar­bei­ter in die Ent­schei­dungs­fin­dung geeig­net ein­zu­bin­den. Wäh­rend der Micro-Mana­ger sich also in die Ent­schei­dun­gen sei­ner Mit­ar­bei­ter auf Arbeits­ebe­ne ein­mischt, bezieht die Füh­rungs­kraft die Mei­nun­gen, Fähig­kei­ten und das Wis­sen sei­ner Mit­ar­bei­ter in ihre eige­nen Ent­schei­dun­gen ein. Ein klei­ner, aber wesent­li­cher Unterschied.

The lea­ders who work most effec­tively, it seems to me, never say „I.“ And tha­t’s not becau­se they have trai­ned them­sel­ves not to say „I.“ They don’t think „I.“ They think „we“; they think „team.“ They under­stand their job to be to make the team func­tion. They accept respon­si­bi­li­ty and don’t sidestep it, but „we“ gets the cre­dit. This is what crea­tes trust, what enables you to get the task done.
Peter F. Drucker



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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

13 Kommentare

Ich sehe eini­ge mei­ner (Ex-)Klienten vor mir, Du triffst den Punkt!
Wie kann man das den Poli­ti­kern in A und D bei­brin­gen, auch dass Aus­sit­zen, Ver­zö­gern und Ver­schlep­pen auch kei­ne sinn­vol­le Füh­rungs­me­tho­de ist.

Ein sehr tref­fen­der Arti­kel, der (lei­der) immer noch beschreibt was oft in Unter­neh­men pas­siert. Durch das unbe­darf­te Hoch­loben von Spe­zia­lis­ten in Füh­rungs­po­si­tio­nen, ver­liert man wie beschrie­ben, zum Einen oft die stra­te­gi­sche Aus­rich­tung, zum Ande­ren gute guten „Macher“. Wei­ter­hin kann ich aus eige­nen Erfah­run­gen berich­ten, dass man so auch Gefahr läuft das Kli­ma, in vor­her gut funk­tio­nie­ren­den Teams ver­gif­ten kann.

Sehr rich­ti­ge Ergän­zung: Die­ser unbe­dach­te Über­gang vom Spe­zia­lis­ten zur Füh­rungs­kraft, der oft im Rah­men von Pro­jekt­lei­tung beginnt, birgt viel­fäl­ti­ge Risiken.

Span­nend ist, was man zu hören bekommt, wenn man als Füh­rungs­kraft (auch wenn Pro­jekt­lei­ter noto­risch nicht als sol­che aner­kannt wer­den) sagt:
„Da ken­ne ich mich nicht so gut aus, das weiß Herr/Frau XY viel bes­ser. Wir neh­men ihn/sie mit dazu, dann kön­nen wir das klä­ren und sind auch entscheidungsfähig.“
(Sofern man denn zumin­dest vor­über­ge­hend ein Team hat, und nicht auf sich allein gestellt ist. In dem Fall ist die Erfolgs­chan­ce eh schmal.)

Ganz klas­si­sche (Fehl-)Erwartung in den Firmen:
Der Pro­jekt­lei­ter weiß alles, auch im Detail, selbst am Bes­ten und ist sofort und immer aus­sa­ge- und entscheidungsfähig.

Aus mei­ner Sicht ist nicht Auf­ga­be von Füh­rungs­kräf­ten immer selbst Ent­schei­dun­gen zu fin­den oder zu tref­fen, son­dern die­se zu unter­stüt­zen und nach außen zu ver­tre­ten. Die Ent­schei­dun­gen aus dem Team sind meis­tens auch fundierter ;-)

Lie­ber Thi­lo, die­se fal­sche Erwar­tung ken­ne ich nur all­zu gut. Ein kla­res Sym­ptom eines sys­te­mi­schen Problems.

Lie­ber Marcus,

ein sehr inter­es­san­ter Arti­kel, der Vie­les rich­tig beschreibt. Ich sehe aller­dings einen Punkt etwas anders:

Füh­rung bedeu­tet nicht zwin­gend „stra­te­gi­sches Han­deln“. Es kann durch­aus Situa­tio­nen geben, in denen Füh­rung sehr ope­ra­tiv ist und auch sein muss: Der Mann­schafts­ka­pi­tän beim Fuß­ball, der Skip­per auf einer Regat­ta­yacht oder auch der Trupp­füh­rer, der sei­ne Ein­heit im Kampf führt. Dort wer­den kei­ne Stra­te­gien ent­wi­ckelt, son­dern einer sagt, was gera­de im Moment ansteht und alle ande­ren han­deln (hof­fent­lich) danach. Die Füh­rungs­kraft hat hier nicht nur extrem tie­fes Fach­wis­sen, son­dern hof­fent­lich auch eine gehö­ri­ge Por­ti­on Erfah­rung, die ihn ohne lan­ges Nach­den­ken, die rich­ti­gen Anwei­sun­gen geben lässt.

Die Füh­rung, die Du rich­ti­ger­wei­se beschreibst, ist Teil des Manage­ments. Du sprichst ja auch an meh­re­ren Stel­len von „Micro-Manage­ment“ und nicht von Micro-Füh­rung. Nicht jede Füh­rungs­kraft muss mana­gen, aber jeder Mana­ger führt in der Regel auch. Das ist mir im Arti­kel noch nicht trenn­scharf genug.

Dies viel­leicht mal an Anregung…

Lie­ber Alex­an­der, vie­len Dank für Dei­ne wert­vol­le Anre­gung! Ich gebe Dir Recht, dass es prin­zi­pi­ell Situa­tio­nen gibt in denen ein ein­zel­ner oder rela­tiv weni­ge beherzt han­deln und dadurch füh­ren müs­sen und der Rest ihnen folgt. Sicher­lich kommt es dann auf die Erfah­rung und das Trai­nung des Han­deln­den an, aber nicht weni­ger auf sei­nen Stab an Bera­tern. Die­ses hel­den­haf­te Ver­ständ­nis von Füh­rung gibt es und es gibt Situa­tio­nen die es erfor­dern. Viel öfter gibt es im Unter­neh­mens­all­tag aber mei­ner Mei­nung nach Situa­tio­nen, wo uns gera­de die­ses hel­den­haf­te Ver­ständ­nis mas­siv behindert.

Lie­ber Marcus,

nein, es geht mir nicht um ein hel­den­haf­tes Ver­ständ­nis von Manage­ment. Es geht mir dar­um, dass „Füh­rung“ rol­len­ab­hän­gig, auf­ga­ben­ab­hän­gig und situa­ti­ons­ab­hän­gig fest defi­nier­bar ist. Wie zum Bei­spiel im Kata­stro­phen­schutz oder über­all dort, wo „Teams“ oder „Mann­schaf­ten“ mög­lichst effek­tiv arbei­ten müs­sen. Dort gibt es Rol­len, die bestimm­te Din­ge vor Ort ent­schei­den müs­sen. Schnell, prag­ma­tisch, unmit­tel­bar. Das hat nichts mit „hel­den­haft“ zu tun. Ich habe Situa­tio­nen erlebt, in denen Zögern oder Hin­ter­fra­gen das Ergeb­nis gefähr­det hat.

Was ich mei­ne ist, dass es einen prin­zi­pi­el­len Unter­schied zwi­schen „Füh­rung“ und „Manage­ment“ gibt. Und ich glau­be, dass Du in Dei­nem Bei­trag eher „Manage­ment“ meinst.

Jetzt ist aber auch gut… :-)

Lie­ber Alex­an­der, dann hat­te ich Dich nicht ganz rich­tig ver­stan­den. Wir haben hier tat­säch­lich ein unter­schied­li­ches Ver­ständ­nis von Füh­rung und Manage­ment, was sehr span­nend ist und Luft für künf­ti­ge Arti­kel lässt ;-) Das was Du unter Füh­rung wie im Kata­stro­phen­schutz ver­stehst, hät­te ich ver­mut­lich gar nicht als Füh­rung bezeich­net, son­dern eher noch als ope­ra­ti­ves Manage­ment. Den Kata­stro­phen­schutz und sei­ne Pro­zes­se zu gestal­ten, das hät­te ich als Füh­rung ver­stan­den. In dem Sin­ne mein­te ich schon Führung ;-)

Der Text ist wirk­lich gut gelun­gen und spricht wich­ti­ge Punk­te an, die sich auch auf die gene­rel­le Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Füh­rungs­per­son und Mit­ar­bei­ter über­tra­gen lässt. 

Wer beim gemein­sa­men Erar­bei­ten eines Fahr­plans trans­pa­rent reflek­tie­ren kann, wie­so wel­che Ent­schei­dun­gen getrof­fen wer­den müs­sen, wie­so bestimm­te Din­ge kri­ti­siert oder gelobt wer­den und auch wie­so etwas mög­lich oder nicht mög­lich ist, holt sei­ne Mit­ar­bei­ter ab und schafft eine gute Grund­la­ge für moti­vier­te Mit­ar­bei­ter. Auf die­se Wei­se wird Ver­trau­en geschaf­fen und der Mit­ar­bei­ter nimmt aus dem Gespräch mit, das er ernst genom­men wur­de. Wich­tig ist auch, dass es einen Platz gibt, wo der Mit­ar­bei­ter gegen­über der Füh­rungs­per­son Pro­ble­me oder Wün­sche äußern kann.

Kom­mu­ni­ka­ti­on ist des­halb eine wich­ti­ge Her­aus­for­de­rung in der moder­nen Führung. 

Lie­be Grüße
Kat­ja Frit­sch (www.coachingpraxis.berlin)

Dan­ke für die­sen Arti­kel. Es ist einer der bes­ten die ich zu die­sem The­ma bis jetzt lesen konn­te. In mei­nen Coa­chings ver­su­che ich ein ähn­li­ches Bild der Kom­mu­ni­ka­ti­on und Füh­rung zu vermitteln.

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