Im Jahr 2008 startete ein Team bei Google das Project Oxygen. Das Projekt hatte das Ziel, herauszufinden was gute Führung ausmacht und welche Verhaltensweisen einen guten Manager bei Google charakterisieren. Als datengetriebenes Unternehmen, das Google durch und durch ist, näherte sich das Team auch dieser Frage auf Basis von Daten aus Mitarbeiterbefragungen und den jährlichen Leistungsbeurteilungen der Manager. Die ursprünglich acht Verhaltensweisen wurden kürzlich überarbeitet und um zwei ergänzt. Sie wirken auf den ersten Blick immer noch recht banal oder, wie die New York Times schon 2011 in ihrem Artikel feststellte, fast wie ein Gag auf dem Whiteboard in der Fernsehserie “Das Büro”. Doch von dieser Einfachheit darf man sich nicht täuschen lassen. Google konnte durch darauf aufbauende Trainings und einfach durch die mit der Veröffentlichung einhergehende intensive Beschäftigung mit dem Thema Führung in den letzten Jahren positive Auswirkungen verzeichnen in Bezug auf Mitarbeiterzufriedenheit, Fluktuation und Leistung. Grund genug für einen zweiten Blick.

Das sind sie also nun die 10 Verhaltensweisen als Ergebnis des Projekts Oxygen (wobei 3 und 6 gegenüber der ersten Version angepasst wurden und 9 und 10 neu hinzukamen). Klingt beim ersten Lesen ganz vernünftig, aber nicht wirklich bahnbrechend. Auch in der deutschen Übersetzung ändert sich das nicht:
- Ist ein guter Coach.
- Ermächtigt das Team und betreibt kein Micromanagement.
- Schafft eine integrative Umgebung für das Team, kümmert sich um Erfolg und Wohlergehen.
- Ist produktiv und ergebnisorientiert.
- Ist ein guter Kommunikator – hört zu und teilt Informationen.
- Unterstützt die Karriereentwicklung und erörtert die Leistung.
- Hat eine klare Vision/Strategie für das Team.
- Verfügt über technische Schlüsselkompetenzen, um das Team zu beraten.
- Arbeitet innerhalb von Google zusammen.
- Ist ein starker Entscheidungsträger.
So ähnlich erging es 2011 auch Laszlo Bock, dem Vice President for “People Operations,” wie sich die Personalabteilung bei Google nennt, als er die (damals noch acht) Punkte las. „My first reaction was, that’s it?“ heißt es im Artikel der New York Times. Erst als das Team diese Verhaltensweisen in eine Rangfolge gebracht hatte, gab es eine kleine Überraschung (jedenfalls für diejenigen, die schon mal eine Stellenanzeige für Positionen im Management bei Google gelesen haben und wie ich vielleicht über die „strong programming skills“ dort überrascht waren). Die technischen Fähigkeiten, also zum Beispiel wie gut ein Manager selbst programmieren kann und also das was Google letztlich ausmacht, hatten mit Abstand den geringsten Einfluss. Was viel mehr zählte, war dass der Manager sich Zeit nahm für Gespräche und den Mitarbeitern bei der Lösungsfindung als Coach half indem er die richtigen Fragen stellte statt einfach nur Antworten zu geben.
As a leader, a lot of your job is to make those people successful. It’s less about trying to be successful (yourself), and more about making sure you have good people and your work is to remove that barrier, remove roadblocks for them so that they can be successful in what they do.
Sundar Pichai, CEO Google (Quelle: QUARTZ)
Wenngleich weniger auf Daten und Analysen basierend, finden sich doch viele der bei Google beschriebenen Verhaltensweisen im hier veröffentlichten Manifest für menschliche Führung wieder, was mich sehr freut. Auch bei Google besteht Führung im Wesentlichen darin, andere erfolgreich zu machen, wie es Sundar Pichai, CEO von Google, selbst schön auf den Punkt gebracht hat. Mikromanagement verbietet sich genauso wie Command & Control. Geführt wird stattdessen mit Sinn und Vertrauen in die Kreativität der Mitarbeiter.
Um Beispiele für gute Führung zu finden, muss man freilich nicht bis nach Mountain View reisen. Der Hotelier Bodo Janssen beispielsweise hat mit dem folgenden Zitat eigentlich alles Wesentliche gesagt und mit dieser Haltung der Wertschöpfung durch Wertschätzung beachtliche Erfolge bei seiner Hotelkette Upstalsboom erzielt. Wie die Erkenntnisse von Google klingt auch sein Fazit sehr simpel – und ist doch so schwer umzusetzen. Gute Führung macht auch und gerade in Zeiten von Wissensarbeit, Agilität, Selbstorganisation New Work oder Better Work den entscheidenden Unterschied.
Führung ist Dienstleistung – und kein Privileg. Die Dienstleistung für den Mitarbeiter besteht darin, ihm die Möglichkeiten zu bieten, sich selbst zu entwickeln.
Bodo Janssen in Impulse 7. Oktober 2016
6 Kommentare
Danke für das Update, Markus.
Ich halte Google für ein hervorragendes Beispiel, wie man mit den besten Absichten das Falsche richtig gut tun kann.
Und interessanterweise unterscheidest auch Du ohne es ausdrücklich zu kennzeichnen.
Google spricht von ‚Managern‘ und Dir geht es um ‚Leadership‘.
Dem einen geht es um Vorsprung durch Technik, dem anderen um die Freude.
Das ist wie der Unterschied zwischen Gates und Ballmer, den ich selbst erfahren durfte.
Ein Leader muss die Menschen erreichen, um sie zu bewegen.
Dem Manager genügt es, Karotten als Motivator zu identifizieren und sie dort aufzuhängen, wo sich die Esel einfinden sollen. Alles andere wäre ‚ineffizient‘.
Die Kunst ist, von der persönlichen Ansprache zur Sachzielerreichung zu gelangen ohne seine Glaubwürdigkeit zu verlieren, demagogisch zu wirken oder eigennützig zu handeln, in dem man die selbstgesteckten Ziele durch andere verwirklichen lässt.
Und weil das so schwer zu verdeutlichen ist, zeichnen der https://www.companypirate.de/, Tobias Leisgang, und ich gerade unseren Entwicklungsweg nach.
Wir benutzen unser ‚altered Ego‘ Frank, um einen Weg aufzuzeigen.
Konzept hier: http://commodus.org/aoc
Wir gehen sogar so weit zu behaupten, dass Frank nichts und niemand von seinem Weg abbringen wird.
Deshalb konfrontieren wir ihn mit Herausforderungen. Wir bieten sogar die Möglichkeit, ihm über uns beliebige Hindernisse in Form von ’speziellen Charaktern‘ in den Weg zu stellen.
Wir wollen zeigen, was hinter diesen vermeintlichen Herausforderungen stecken kann.
Das, was wir dort gefunden haben ist, was wir als ‚Greatness beyond EgoBarrier‘ bezeichnen.
Das lässt sich im Erleben nur fühlen – nicht wissenschaftlich belastbar messen.
Warum?
Weil die Bezugsgrößen fehlen.
Wer lässt schon ernsthaft eine Aufgabe von zwei oder mehr Gruppen erledigen und schaut über einen Zeitraum mehrerer Jahre, welches Vorgehen profitabler, wirksamer, effizienter ist?
Auch Tom deMarco braucht dafür Literatur, weil es in der Realität keiner wagt.
Danke für deinen Kommentar, lieber Alexander. In der Tat habe ich ohne zu kennzeichnen das bei Google gebrauchte „Manager“ und „Management“ in „Leadership“ übersetzt. Ich glaube, dass du ihnen mit deinen Vergleichen unrecht tust und in dem was sie untersucht haben und in den 10 Verhaltensweisen viel mehr Leadership drin steckt als das verwaltende effizienz-getriebene Management, das du ansprichst.
Und auch Dir vielen Dank für die Replik, Marcus.
Von einem Geschäftsführer einer Konzern-Tochter übernahm ich den Satz:
„Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen, nicht notwendigerweise in der Mitte.“
Gegen ‚unrecht tun‘ muss ich mich als ‚Jurist aus Überzeugung‘ verwehren.
Ich nehme es als willkommene Gelegenheit, meine Position zum Ganzen kenntlich zu machen und gleichzeitig für mich eine Ortsbestimmung vorzunehmen.
Den ursprünglichen Ansatz, Wissen per Algorithmus via ‚Relevanz‘ zugänglich zu machen, schätze ich enorm hoch ein. Das hat die Menschheit mit Sicherheit weiter gebracht.
Aus meiner externen! Beobachtung ist irgendwann danach bei Google das ‚Mojo‘ verloren gegangen. Für mich sieht es so aus, als würde man immer wieder den Ursprung des einstigen Erfolgs durch Reproduktion skalieren wollen. Der Blick für den Unterschied, das Andere, das ‚Wesentliche‘ ist durch etwas verstellt, was ich hinter Marktdominanz, Plattformgedanken und Netzwerkeffekten vermute.
Der ultimative Netzwerkeffekt ist ‚Geld‘. Und ich denke, durch die Universalität in diesem Konzept wird es auch noch lange so bleiben. Das ändert sich auch nicht durch das Auswechseln des Transformators von US$ zu € oder Bitcoin.
Es bleibt die Karotte 1. Ordnung > Conny Dethloff.
Dem Bericht von Isabella lässt sich entnehmen, was Führung im Sinne von ‚Leadership‘ im Kontrast zu ‚Management‘ unterscheidet.
Etwas abstrakter und systemisch beeinflusst beschreibe ich die von mir beobachteten Phänomene hier:
http://commodus.org/rucksicht
Eine große Schwierigkeit für die Darstellung im bundesdeutschen Unternehmensalltag erkenne ich darin, dass die Begriffe ‚Leadership‘ und ‚Management‘ im deutschen Sprachgebrauch in ‚Führung‘ korrellieren UND in dem Irrtum, ‚Führung‘ manifestiere sich in EINER Person, die „immer“, „alles“ und „sofort“ im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die FührungsKRAFT.
Ich sehe für uns alle (mich inkl.!) da noch viele Lernfelder, denen wir uns stellen sollten.
Für Juristen besteht ihr Beitrag zum Erkenntnisgewinn in der Ausarbeitung des Bedeutungsinhalts der immer gleichen Worte, die von jedem im Kontext seiner Erfahrungserinnerung gleich oder anders verstanden werden.
http://commodus.org/diversity
Lieber Marcus, ich danke Dir für Deine Beiträge. Ich bin sehr froh auf Deinen Blog hingewiesen worden zu sein;-) Du hast schon früher auf Bodo Janssen und den Upstalsboomer Weg hingewiesen.
Inspiriert von einem Interview mit Bodo Janssen, habe ich mich entschieden einen Brief an Bodo zu schreiben und ihn gefragt, ob ich in seinem Unternehmen ein freiwilliges Praktikum erleben kann. Meinem Wunsch wurde sehr schnell und sehr herzlich entsprochen und so habe ich mich entschieden eine Auszeit zu nehmen und aus allen „Hamster-Rädern“ in meinem Leben auszusteigen und mich auf eine spannende Reise zu begeben.…
Nun bin ich wieder zurück und voller Eindrücke und Erlebnisse aus einem Arbeitsumfeld in dem der Mensch im Zentrum steht.
Ein Erlebnis möchte ich teilen: In Upstalsboom treffen sich alle Hoteldirektoren/-innen und Bodo Janssen regelmäßig zu einem Dialog und ich durfte diesem besonderen Event beiwohnen.
Während des Austausches wird über alles was das Unternehmen und die Hotelbetriebe bewegt, gesprochen. Es gibt zwar eine grobe Agenda, doch es gibt auch genügend Raum um spontane Ideen und Informationen im Detail zu diskutieren. Auch Mitarbeiter haben die Möglichkeit Projekte und aktuelle Themen vorzustellen und somit über die Hotelgrenzen hinaus bekannt zu geben. In diesem Rahmen erlebte ich, wie ein Dialog sich zwar an den Themen orientiert, doch ganz stark auf den Menschen fokussiert. Es wurden ganz andere Fragen gestellt, als ich aus meinem beruflichen Kontext kenne, z.B. Welche Qualitäten haben Dir hierbei geholfen? Wie hast Du Deine Interessen/Dein Können bei dem Projekt eingesetzt? Wie fühlt sich der aktuelle Zustand für Dich an?….
Es war spannend zu erleben, wie diese Art von Fragen, den Menschen hervorheben ohne den Inhalt zu vernachlässigen. Ich habe den Eindruck gewonnen, die Mitarbeiter wurden GESEHEN und eine Ausschau nach weiteren Potenzialen im Team wurde gestärkt. Auch ich wurde gebeten meine bisherigen Erlebnisse zu teilen und ich fühlte mich enorm gesehen und wertgeschätzt. In dem Film „Avatar“ haben die Ureinwohner von Pandora die bewusste Wahrnehmung des Mitmenschen durch „ich sehe Dich“ ausgedrückt. Ja, diese Art von gesehen werden, durfte ich persönlich erfahren. Das ist ein sehr schönes und vor allem ein langlebiges Gefühl, das ich geschenkt bekommen habe. Danke vom Herzen dafür!
Ferner hat es mich stark beeindruckt, wie die Damen und Herren nach den Erkenntnissen gelauscht haben, wo sie als Führungskräfte die Beziehung zu den Hotelteams verbessern können. Die Chancen, die sich aus der Wahrnehmung einer unabhängigen und branchenfremden Person „auszukosten“, haben sie nicht versäumen wollen. Das war für mich ein Beispiel von gelebter Demut, die die große persönliche Stärke aller Hotelverantwortlichen zeigte. Es war sehr authentisch und ehrlich, da war kein Pokerface zu spüren. Es war der Drang nach Wachstum und persönlicher Entfaltung, der über Allem Stand. Ich ziehe echt mein Hut vor diesen Führungskreften und Bin sehr dankbar für die Einblicke.
Ich danke Dir für es Teilenen Deiner Erfahrungen und Deines Wissens, es hilft mir sehr.
Liebe Grüße Isabella
Vielen, vielen Dank für das Teilen Deines Erfahrungsberichts, Isabella!
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist für mich das ‚Hotel-Gewerbe‘.
Das Produkt ‚Hotelaufenthalt‘ hat eine messbare und eine fühlbare Komponente.
Das macht Upstalsboom so wertvoll als leuchtendes Beispiel.
Das andere, das nicht messbare, der Geist, das ‚It‘ entscheidet in dieser Branche darüber, ob ein Gast wieder kommt, das Haus gezielt ansteuert oder nur das nächstgelegene zum Zielort in der selektierenden Preiskategorie wählt.
Keines der Vorgehen ist richtig oder falsch. Es führt zu dem, was man als Organisation erreichen möchte oder es verfehlt dieses Ziel. Die Positionsbestimmung erfolgt über ‚Werte‘.
Sie können messbar im Sinne von Sensor-Daten sein. Oder Ausdruck von Überzeugungen.
Es kommt darauf an … wie Juristen so gern sagen.
Das von Dir geschilderte Beispiel ist grandios geeignet zu verdeutlichen, was die Komponente ‚Enablement‘ und ‚Empowerment‘ ausmacht und wie man diese abstrakten Begriffe in ‚Wirklichkeit durch Wirksamkeit‘ übersetzen kann.
Liebe Isabella, das ist einfach großartig. Großartig, dass du diese Erfahrung machen durftest. Ich würde mir wünschen, dass alle diese Wertschätzung in ihrer Arbeit erleben dürfen. Großartig, weil du hier darüber berichtest und damit meinem Blick von außen auf Upstalsboom die Glaubwürdigkeit eines Insiders hinzufügst. Und schließlich großartig, weil du mir das Gefühl gibts, dass meine Artikel etwas verändert haben. Danke!