Führen ohne Macht

Wis­sen und Erfah­rung wer­den immer mehr zum ent­schei­den­den Pro­duk­ti­ons­mit­tel. Im Gegen­satz zu den mate­ri­el­len Betriebs­mit­teln, die wäh­rend der Indus­tria­li­sie­rung bestim­mend waren, sind Wis­sen und Erfah­rung untrenn­bar an die Men­schen geknüpft. Unzäh­li­gen Ver­su­chen und Ver­spre­chen des Wis­sen­ma­nage­ments zum Trotz: Wis­sen ent­steht erst im Kopf der Men­schen – alles ande­re sind bes­ten­falls Informationen.[1. Im Sin­ne von Gre­go­ry Bate­son: Infor­ma­ti­on „is a dif­fe­rence that makes a dif­fe­rence“; vie­les von dem was Unter­neh­men als Wis­sen zu mana­gen ver­su­chen genügt noch nicht mal die­ser Anfor­de­rung: es sind dann nur Fak­ten, die aber kei­ne Wir­kung haben.] Mit dem ent­schei­den­den Pro­duk­ti­ons­mit­tel in den Hän­den – oder bes­ser: in den Köp­fen – der Mit­ar­bei­ter, ver­keh­ren sich die Macht­ver­hält­nis­se zwi­schen der Orga­ni­sa­ti­on und dem Mitarbeiter.

Know­ledge workers pro­vi­de „capi­tal“ just as much as do tho­se who pro­vi­de money. The two are depen­dent on each other. This makes the know­ledge worker an equal – an asso­cia­te or a partner.[2. Peter F. Dru­cker. Manage­ment Rev Ed. S. 52]

Die klas­si­sche Ver­tei­lung von Macht zwi­schen Chef und Mit­ar­bei­ter ent­behrt zuneh­mend der Legi­ti­ma­ti­on. Und selbst die­se for­ma­le Macht des Ange­stell­ten­ver­hält­nis­ses schwin­det im sel­ben Maße in dem Mit­ar­bei­ter lie­ber frei­be­ruf­lich arbei­ten wol­len und dies heut­zu­ta­ge auch kön­nen. Oft sind die for­ma­len Macht­ver­hält­nis­se für das Tages­ge­schäft ohne­hin nicht mehr rele­vant auf­grund von Matrix­or­ga­ni­sa­ti­on und Projektgeschäft.

Mit­ar­bei­ter sind zuneh­mend Spe­zia­lis­ten ihres Faches und sehen sich selbst in ers­ter Linie auch so. Sehr schön cha­rak­te­ri­siert das Peter F. Drucker:

Know­ledge workers of all kinds trend to iden­ti­fy them­sel­ves with their know­ledge. (…) They may be proud of the orga­niza­ti­on they work for, (…) but they „work at“ the orga­niza­ti­on; they do not „belong to“ it.[2. Peter F. Dru­cker. Manage­ment Rev Ed. S. 41]

Natür­lich sind sol­che Spe­zia­lis­ten auf Orga­ni­sa­tio­nen ange­wie­sen, um ihr Wis­sen und ihre Fer­tig­kei­ten anzu­wen­den, aber eben nicht auf die­se eine Orga­ni­sa­ti­on. Es macht eben einen gro­ßen Unter­schied, ob ich mich in ers­ter Linie als Inge­nieur defi­nie­re oder ob ich, bei­spiels­wei­se, „beim Daim­ler“ arbeite.

Was folgt dar­aus für die Füh­rung von Wis­sens­ar­bei­tern? Ers­tens, Füh­ren mit for­ma­ler Macht funk­tio­niert schlech­ter denn je. Die Mit­ar­bei­ter sind als Part­ner anzu­se­hen und müs­sen auch so behan­delt wer­den. Zwei­tens, die Bin­dung zum eige­nen Fach­ge­biet ersetzt die Bin­dung zur Orga­ni­sa­ti­on. Drit­tens, Mit­ar­bei­ter wol­len ihr Wis­sen anwen­den und ihre Erfah­rung ver­grö­ßern, denn dar­über defi­nie­ren sie sich und damit erhal­ten und stei­gern sie den Wert ihrer Produktionsmittel.

Ers­te Auf­ga­be von Füh­rung ist es daher, Mit­ar­bei­ter pro­duk­tiv und wirk­sam wer­den zu las­sen, denn nur über die Freu­de am eige­nen sinn­vol­len Bei­trag las­sen sie sich füh­ren. Nicht weni­ger wich­tig aber ist die kon­se­quen­te Wei­ter­bil­dung und ‑ent­wick­lung der Mit­ar­bei­ter. Tun die Mit­ar­bei­ter zu vie­le Din­ge, die nicht zu ihrem Fach­ge­biet gehö­ren, oder kön­nen sie sich in ihrer Dis­zi­plin nicht wei­ter­ent­wi­ckeln, wer­den sie eine Orga­ni­sa­ti­on oder Füh­rungs­kraft fin­den, die das bie­ten kann.

PS. Foto „Pool of Know­ledge“ ver­öf­fent­licht auf Flickr von Ian Mut­too (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten)



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Ein Kommentar

Roland Dürre 26. November 2010 Antworten

Das macht doch Mut auch für Kon­kur­renz­si­tua­tio­nen in der Zukunft #Chi­na #India

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