Projektcoaching (28): Sei unbequem!

Nie­mand mag Kon­flik­te. Schon gar nicht in der ers­ten, noch unge­wohn­ten, Füh­rungs­rol­le. Den­noch sind Kon­flik­te untrenn­bar mit Füh­rungs­rol­len ver­bun­den. Mehr noch: Kon­flik­te zu erzeu­gen und zu nut­zen gehört zum Reper­toire einer erfah­re­nen Füh­rungs­per­sön­lich­keit. Sei unbequem!

Kri­se kann ein pro­duk­ti­ver Zustand sein. Man muß ihr nur den Bei­geschmack der Kata­stro­phe nehmen.
Max Frisch

Einen erfah­re­nen Pro­jekt­ma­na­ger län­ge­re Zeit an vor­ders­ter Front zu beglei­ten, war für mich eine unglaub­lich gute Schu­le. Aber eines hat mich damals immer gestört: kaum ein Mee­ting ver­lief har­mo­nisch, immer gab es hef­ti­ge Dis­kus­sio­nen und oft hand­fes­te Kon­flik­te. Lan­ge Zeit sah ich den Grund in der Natur die­ses Men­schen und hielt ihn für streit­süch­tig. Mit den Jah­ren erkann­te ich aber: der Wahn­sinn hat Metho­de. Ganz geziel­te, unbe­que­me, boh­ren­de Fra­gen brach­ten Pro­ble­me früh­zei­tig zu Tage über die wir spä­ter sowie­so gestol­pert wären, die dann aber um ein Viel­fa­ches schlim­mer gewe­sen wären.

If we are all in agree­ment on the decis­i­on – then I pro­po­se we post­po­ne fur­ther dis­cus­sion of this mat­ter until our next mee­ting to give our­sel­ves time to deve­lop dis­agree­ment and per­haps gain some under­stan­ding of what the decis­i­on is all about.
Alfred P. Sloan

Als Mit­ar­bei­ter in einem Team ver­sucht man meist Kon­flik­te zu ver­mei­den und ein­fach rei­bungs­los und har­mo­nisch zusam­men­zu­ar­bei­ten. Gera­de für jun­ge Men­schen, die erst­mals Füh­rungs­rol­len über­neh­men, ist es schwie­rig dann Kon­flik­te nicht nur zuzu­las­sen son­dern auch bewusst her­bei­zu­füh­ren – nicht rück­sichts­los oder grob, aber bestimmt und kon­fron­ta­tiv. Zu oft sehe ich bei­spiels­wei­se völ­lig weich­ge­spül­te Sta­tus­be­rich­te: bloß nicht anecken oder auf­fal­len. Was ist denn so schlimm dar­an, Pro­ble­me klar und unmiss­ver­ständ­lich auf den Punkt zu brin­gen? Die Dis­kus­si­on dar­über wird ohne­hin statt­fin­den: ent­we­der jetzt oder spä­ter, dann aber deut­lich heftiger.

Honest dis­agree­ment is often a good sign of progress.
Mahat­ma Ghandi

Kon­fron­ta­tio­nen zu ver­mei­den wird ins­be­son­de­re dann pro­ble­ma­tisch, wenn man als uner­fah­re­ner Teil­pro­jekt­lei­ter in einem gro­ßen Pro­gramm mit erfah­re­ne­ren Pro­jekt­ma­na­gern und Füh­rungs­kräf­ten zusam­men­ar­bei­tet. Egal wie klar die Rol­len beschrie­ben sind (und sie sind nie klar genug beschrie­ben), irgend­je­mand wird immer ver­su­chen unlieb­sa­me Auf­ga­ben woan­ders zu par­ken. Die­se Auf­ga­ben blei­ben dann an dem hän­gen der sich, Kon­flik­te ver­mei­dend, nicht sofort wehrt und die Auf­ga­be hin­ter­fragt. Auch das erklärt die Arbeits­be­las­tung von Nach­wuchs­pro­jekt­lei­tern: Ler­nen durch Schmerzen …

Es ist sicher­lich nicht ein­fach weit­aus erfah­re­ne­ren Men­schen die Stirn zu bie­ten. Ein (Projekt-)Coach und Men­tor kann und soll­te dabei hel­fen, denn es ist defi­ni­tiv eine der wich­ti­ge­ren Auf­ga­ben: Din­ge unmiß­ver­ständ­lich anzu­spre­chen, den Fin­ger in die Wun­de legen, qua­li­fi­ziert Nein sagen und gene­rell Kon­fron­ta­tio­nen eher suchen als ver­mei­den. Sei unbe­quem! Oder mit den Wor­ten von Prof. Dr. Det­lef Kreuz (@implizit)

 

Vorangegangene Teile der Serie Projektcoaching

Bildnachweis

Das Arti­kel­bild wur­de von Edmund Gar­man unter dem Titel „Down To The Wire 2“ auf Flickr unter eine Crea­ti­ve Com­mons Lizenz (CC BY 2.0) ver­öf­fent­licht (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten).

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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