Sinn und Vertrauen in der Krise

Verteiltes Arbeiten und Führung auf Distanz basiert auf Sinn und Vertrauen. Wo beides nicht sehr ausgeprägt war, wird die Corona-Krise zur Vertrauens- und Sinnkrise. Daraus kann man lernen – oder möglichst schnell das vorige Betriebssystem der Organisation hochfahren.

Ver­teil­tes Arbei­ten wur­de jetzt aus­ge­löst durch die Coro­na-Pan­de­mie für ganz vie­le Mit­ar­bei­ter und Orga­ni­sa­tio­nen das New Nor­mal. Damit stellt sich in unge­ahn­tem Aus­maß die Ver­trau­ens­fra­ge, die nicht sel­ten zu einer Ver­trau­ens­kri­se führt. Wo vor­her schon nach der Devi­se Sinn und Ver­trau­en mehr als Anwei­sung und Kon­trol­le geführt wur­de, gelingt auch die Füh­rung auf Distanz. Wo das nicht der Fall war, offen­bar­ten vie­le Füh­rungs­kräf­te ihr ange­staub­tes Men­schen­bild in Form der Fra­ge, wie die Arbeit vom Mit­ar­bei­tern im Home­of­fice kon­trol­liert wer­den kön­ne und sind des­halb nun froh über den Hoch­lauf zu alter Prä­senz­kul­tur.

Die zweite These des Manifest für menschliche Führung: Sinn und Vertrauen mehr als Anweisung und Kontrolle.
Die zwei­te The­se des Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung.

Die Mona­te des erzwun­ge­nen ver­teil­ten Arbei­tens wären auch die Chan­ce gewe­sen, umzu­schal­ten von Input zu Impact. Anwe­sen­heit im Büro war schon vor­her eher wenig kor­re­liert mit Leis­tung. In der Wis­sens­ar­beit ent­schei­den die Ergeb­nis­se. Wann, wie und wo die erbracht wer­den, muss eigent­lich egal sein. Die­se Erkennt­nis gab es in vor­nehm­lich ver­teilt und nach dem Prin­zi­pen der Meri­to­kra­tie orga­ni­sier­ten Unter­neh­men wie bei­spiels­wei­se Base­camp oder Red Hat schon lan­ge. Und in eini­gen ande­ren wie bei­spiels­wei­se bei Twit­ter, wo die Mit­ar­bei­ter jetzt die Mög­lich­keit beka­men für immer im Home­of­fice zu arbei­ten, reif­te sie in den letz­ten Mona­ten. In den meis­ten Unter­neh­men wur­de die­se Chan­ce aber kläg­lich ver­ge­ben. Des­halb wird nun vie­ler­orts die Rück­kehr ins Groß­raum­bü­ro unter aller­lei Schutz­maß­nah­men fei­er­lich zelebriert.

To put it blunt­ly, the most important task for any mana­ger today is to crea­te a work envi­ron­ment that inspi­res excep­tio­nal con­tri­bu­ti­on and that merits an out­pou­ring of pas­si­on, ima­gi­na­ti­on and initiative.

Gary Hamel, 2012. The Pro­blem with Manage­ment.

Es zeigt sich in die­ser Zeit auch, wo die Füh­rungs­kul­tur in Bezug auf das Span­nungs­feld „Bei­trä­ge zu Netz­wer­ken mehr als Posi­tio­nen in Hier­ar­chien“ aus dem Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung steht. Wo die Hier­ar­chie über­wiegt als Betriebs­sys­tem der Orga­ni­sa­ti­on ist Prä­senz gefor­dert. Ein Kapi­tän braucht sei­ne Mann­schaft. In Orga­ni­sa­tio­nen, die sich eher als leben­di­ges Netz­werk ver­ste­hen und deren trotz­dem vor­han­de­ne Hier­ar­chie wenig domi­nant ist, zählt der Bei­trag und die Leis­tung im Sin­ne der Meri­to­kra­tie mehr als die Anwe­sen­heit und die Sichtbarkeit.

Die vierte These des Manifest für menschliche Führung: Beiträge zu Netzwerken mehr als Positionen in Hierarchien.
Die vier­te The­se des Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung.

Was und teil­wei­se auch wobei der Ein­zel­ne in sol­chen Orga­ni­sa­tio­nen sei­nen Bei­trag leis­tet, kann und soll über­ra­schen. Natür­lich gibt es auch dort Tages­ge­schäft, das erle­digt wer­den muss, aber dar­über­hin­aus ist qua­li­fi­zier­te Ein­mi­schung prin­zi­pi­ell erwünscht. Die Vor­aus­set­zung für einen frucht­ba­ren Dis­kurs in einer sol­chen Netz­werk­or­ga­ni­sa­ti­on ist einer­seits eine Kul­tur, die Diver­si­tät und Dis­sens mehr schätzt als Kon­for­mi­tät und Kon­sens.

Pur­po­se is often misun­ders­tood. It’s not what a group does but why it does what it does. It’s not a goal but a reason — the reason it exists, the need it ful­fills, and the assis­tance it bestows. It is the ans­wer to the ques­ti­on every group should ask its­elf: if we dis­ap­peared today, how would the world be dif­fe­rent tomorrow?

Lin­da Hill, Greg Bran­deau, Emi­ly Truel­ove, and Kent Line­back, 2014. Coll­ec­ti­ve Geni­us. (Ama­zon Affi­lia­te-Link)

Ande­rer­seits braucht es einen sehr star­ken gemein­sam getra­ge­nen Sinn oder neu­deutsch Pur­po­se. Wenn der fehlt – oder wo der Pro­fit zum Selbst­zweck erho­ben wur­de – fehlt aber der Maß­stab für Bei­trä­ge und Leis­tung. Also wird statt­des­sen die Anwe­sen­heit gemes­sen. Und wird die Coro­na-Kri­se für vie­le Orga­ni­sa­tio­nen nicht nur zur Ver­trau­ens­kri­se son­dern auch zur Sinn­kri­se. Die­se Kri­se ist damit auch die Chan­ce, an Sinn und Ver­trau­en zu arbei­ten. Die­se kann man nut­zen – oder ver­su­chen mög­lichst schnell das vori­ge Betriebs­sys­tem der Orga­ni­sa­ti­on wie­der hochzufahren. 



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Ein Kommentar

Frank Druhm 19. Mai 2020 Antworten

Ich möch­te eine wenig „wider den Sta­chel der mora­li­schen oder höher geis­ti­gen Keu­le löcken“ und doch Dei­ne Ideen stützen.
Ers­tens: Arbeit ist nicht erst in der heu­ti­gen Gesell­schafts­kri­se ver­teilt. Mit ist wich­ti­ger fest­zu­stel­len, dass Arbeit ge(!)teilt ist, mehr als in der frü­hen Moder­ne. Und Arbeit wird zuge(!)teilt. daher stellt sich die Auf­ga­be der räum­li­chen Ver(!)teilung von Arbeit von Anfang an durch die gewähl­te Art der Arbeits­tei­lung. Mit dem „ver“ ist immer die Auf­ga­be eines tech­ni­schen „con/ zusam­men“ der Kom­mu­ni­ka­ti­on in unter­schied­li­chen Aus­prä­gun­gen ver­bun­den. Die tech­ni­sche Lösung aber ist abhän­gig von Kom­mu­ni­ka­ti­on als Vehi­kel einer bestimm­ten Füh­rungs­idee. Und die Kri­se macht – wie Du rich­tig sagst – auf Stär­ken und Schwä­chen in der Gestal­tung, in Sinn und Kul­tur einer Füh­rung auf­merk­sam. Zwei­tens: Anwei­sung und Kon­trol­le, Hier­ar­chie und Posi­ton sind uner­läss­lich, weil damit einer­seits die Din­ge gere­gelt sind, die nicht jeden Tag neu erfun­den wer­den müs­sen bzw. sol­len, und ande­rer­seits sind Ver­ant­wort­li­chen­kei­ten für Ent­schei­dun­gen geklärt. Diver­si­tät und Dis­sens ver­die­nen nicht höhe­re Wer­tig­keit, son­dern sie sind anders zu habdha­ben. Sie gehen in die den Vor­gang der Ent­schei­dungs­fin­dung ein und bil­den den neu­en Kon­sens, die Ent­schei­dung zu tra­gen, und die Kon­for­mi­tät, die aus den Ein­zel­auf­ga­ben ein Gan­zes macht.
Soviel in dür­ren Worten.

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