Wir lieben Helden. Unsere überlieferten Erzählungen sind voll davon. Die halbe Filmindustrie lebt von modernen Helden. In unseren Unternehmen belohnen wir die Heldentaten einzelner Kämpfer. Genau diese Glorifizierung einzelner Menschen und ihrer Leistungen führt zu unfruchtbarem Gegeneinander wo es nur miteinander geht. Die Folge sind nur noch mehr kritische Situationen, die Draufgängertum und Heldentaten erfordern. Aber wollen wir das wirklich?
Be careful what you incentivize: Rewarding heroism begets more situations requiring heroics, for one thing.
Woody Zuill
Einerseits muss außergewöhnliche Leistung natürlich gewürdigt werden. In den wenigsten Fällen ist es andererseits aber die heldenhafte Leistung eines einzelnen Mitarbeiters, sondern fast immer eine Teamleistung. Die Glorifizierung von einzelnen Menschen ist also im Unternehmenskontext fast immer ungerecht.
Die Folge eines solchen Heldenkults ist die Konkurrenz um Aufmerksamkeit. Anstatt miteinander im Team bestmögliche Ergebnisse zu erzielen, wird es einzelnen immer darum gehen, sich gegenüber den anderen hervorzutun. Es wird zu lange als einsamer Draufgänger gekämpft anstatt Hilfe zu suchen oder auch nur anzunehmen. Und ist das Projekt erst komplett an die Wand gefahren, kommt der nächste Held und darf es wieder retten. Oder auch nicht.
True heroism is remarkably sober, very undramatic. It is not the urge to surpass all others at whatever cost, but the urge to serve others at whatever cost.
Arthur Ashe
Anstatt den einsamen und draufgängerischen Einsatz einzelner Menschen im Stile eines Bruce Willis müssen wir vielmehr diejenigen belohnen, die selbstlos anderen helfen im Sinne der gemeinsamen Sache. Anstatt Highlander-Prinzip brauchen wir ein Gandhi-Prinzip für unsere Unternehmen wenn wir das Zeitalter der Wissensarbeit überleben wollen. Anstatt Konkurrenz brauchen wir vorbehaltlose Kooperation. Anstatt abgegrenzten Silos brauchen wir übergreifende Vernetzung. Und echte Helden, die sich trauen ihre mühsam erkämpfte Machtposition in der Hierarchie dafür aufzugeben.
Don’t glorify heroes, and people will not contend.
Tao Te Ching
8 Kommentare
Ich habe einen Fall in der Familie, da hat sich Jemand so richtig reingehängt und hat erwartet, dass es nun eine Auszeichnung gab. Die blieb aus. Das war dann der Sargnagel auf ein einjährige Knockout namens Brunout. Da ging nichts mehr …
Das ist sehr traurig, aber leider nicht ungewöhnlich. Ich kenne viele Unternehmen, die diese „Extrameile“ (auch so ein schauriger Anglizismus) von ihren karrierewilligen Mitarbeiter ganz unverhohlen einfordern und bekommen. Krankes Wirtschaften.
War inzwischen Joggen und da kreisten meine Gedanken weiter an Deinem Artikel. Das fiel mir noch so ein:
* Ein Patent beruht auf einer Idee, die selbst nur kommen konnte, weil viele tausend anderen Ideen zuvor gedacht wurden. Mit dem Patent wird nun das Weiterdenken daran blockiert. Dass gemeinsame Vorankommen ist mit dem Patentieren nun behindert.
* Wir haben mehrere SCRUM Teams an einem Produkt arbeiten. Hier gibt es viele Abhängigkeiten. Das eine Team kann ohne das andere nicht. Es gibt immer wieder Frust, wenn eins der Team mit etwas Besonderem hervortrat. Das eine Stand also als Held im Rampenlicht. Bei allen anderen ging für eine Weile das Licht aus, die Motivation dahin, der Flurfunk dagegen war aktiv. Eben ein schönes Beispiel für die Unproduktivität des Heldentums.
Inzwischen geht es viel besser. Die Teams weisen nun immer auf die Basisarbeiten der anderen Teams hin, und dass Konzepte gemeinsam entwickelt wurden. Es bildet sich zunehmend das WIR gemeinsam heraus statt des wir gegen die ANDEREN.
Und so werden die Ergebnisse auch deutlich besser.
Und jetzt denken wir das mal eine Runde größer. LINUX hat uns gezeigt, wie das geht …
Danke für Deinen Kommentar, lieber Martin (und für die Erinnerung, dass ich auch mal wieder Joggen gehen müsste). Dieses Konkurrenzdenken ist scheinbar wirklich tief in unserem Denken verankert. Und wird in vielen Unternehmen noch bewusst oder unbewusst gefördert (Stichwort: up or out). Für unsere komplexen Herausforderungen taugt diese Kultur aber nicht mehr. Das geht nur kooperativ.
Da bin ich mir auch sicher. Und wenn das erst einmal im Kleinen gut verstanden und ERFAHREN wird, dann sollte sich das auch in unseren größeren gesellschaftlichen Herausforderungen angenommen werden.
Ich kann mir mittlerweile überhaupt nicht mehr die Polit-Talkshows anschauen, weil da nur leer gegen einander gefetzt wird. Genauso der Parteienstreit. Vor lauter Hahnen- und inzwischen auch Hennen-Kämpfen geht das eigentliche Lösen von Problemen unter. Was für eine Energieverschwendung.
Ich hatte vor ca. 3 Jahren entschieden, dass Kooperation besser ist Konkurrenz und habe mit einer Gesinnungsgenossin auf Facebook eine entsprechende Gruppe Kooperation statt Konkurrenz aufgemacht. Hier posten wir neue Fakten zum Thema. Es kamen schon tolle Sachen zusammen.
Das Heldenthema ist immer wieder spannend – und kontrovers, denn: Ist Gandhi kein Held?! – Für mich schon. Die Darstellung des „Helden“ als immer gleicher Bruce-Willis-Klon ist in meinen Augen weder angemessen noch der Sache dienlich. Wem „Held“ zu theatralisch klingt, kann auch „Vorbild“ sagen. – Der Held / das Vorbild ist eben vielfach nicht der selbstverliebte Egomane, sondern leistet einen Beitrag für die Gemeinschaft.
Wen es interessiert: In unserem Selbstcoaching-Buch für Fach- und Führungskräfte widmen wir dem Helden ein ganzes Kapitel. Das hilft vielleicht beim Entzerren des Helden-Klischees ;-)
Danke für die begriffliche Klärung. Doch Gandhi ist auch für mich ein Held. Ein viel größerer als Bruce Willis. Die Frage ist für mich eher welche Vorbilder wir in unseren Unternehmen und in unserer Gesellschaft fördern. Und da sehe ich gerade in unseren Unternehmen leider viel mehr Highlander als Gandhi. Das halte ich für falsch und nicht zukunftsfähig. Wir brauchen auch künftig Vorbilder, auch und gerade die Führungskräfte und wir brauchen mehr Gandhi und weniger Highlander.
Absolut – so habe ich auch Ihren Text verstanden – und da sind wir auf einer Wellenlänge. Allein der Begriff des Helden ist für mich zu kostbar, um ihn ausschließlich Bruce Willis & Co. zu überlassen. Im Verständnis der „Heldenreise“ bedeutet „Held sein“ eben auch persönliches Wachstum – für sich und andere / die Gemeinschaft.