Viele Unternehmen sehen Agilität nur als eine Alternative zu ihrem etablierten Wasserfall; einfach eine bessere Methode um Projekte durchzuführen. Also wird eine geeignetes agiles Rahmenwerk ausgewählt, angepasst, umgesetzt und geschult. Am Ende dieser Umstellung gibt dann eben auch agil als Methode, bis auf weiteres festgeschrieben und laminiert und nur durch wichtige Gremien von zentraler Governance-Stelle veränderbar. Agil ist kann aber nie eine fertige Methode sein, sondern lebt von der fortwährenden Verbesserung durch die Anwender selbst.
Im Scrum, dem wohl beliebtesten agilen Rahmenwerk, gibt es nach jedem Sprint nicht nur eine Begutachtung des Produkts, sondern auch eine gemeinsame Retrospektive des Prozesses. Ziel dieser Retrospektive ist die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsweise. Insofern gibt es zwar Scrum im Lehrbuch, aber eben nur als Ausgangspunkt. Von dieser Basis aus müssen die Akteure selbst Verantwortung für ihre Arbeitsweise übernehmen wollen und dürfen und müssen diese kontinuierlich der jeweiligen Situation anpassen. Agil bedeutet wendig nicht nur in Bezug auf das Produkt sondern auch in Bezug auf die Arbeitsweise.
At regular intervals, the team reflects on how to become more effective, then tunes and adjusts its behavior accordingly.
Principles behind the Agile Manifesto
Bei der Verantwortung für die Anwendung und situativen Weiterentwicklung der eingesetzten Methode beginnen nun die Probleme in prozessgetriebenen Unternehmen. Das ist nicht vorgesehen. Es gibt einen iso-zertifizierten Prozess, der einzuhalten ist (man beachte das schauerliche Gerundivum). Die Verantwortung für den Prozess und seine Weiterentwicklung liegt explizit nicht bei denen die ihn anwenden, sondern in der Regel bei einer zentralen Stelle. Wo kämen wir da hin, wenn jedes Team einfach die Methode hinterfragen und für sich anpassen dürfte?
Every organization will have to learn to innovate. (…) And then, of course, one comes back to abandonment, and the process starts all over. Unless this is done, the knowledge-based organization will very soon find itself obsolescent, losing performance capacity and with it the ability to attract and hold the skilled and knowledgeable people on whom its performance depends.
Peter F. Drucker
Wir kämen zur richtigen Agilität. Nicht als Methode, sondern als Einstellung. Die Einstellung, nie fertig zu sein und sich kontinulierlich verbessern zu müssen. Und die Einstellung, dass die Teams selbst am besten wissen, wie sie effektiv arbeiten und ihre Arbeitsweise auch autonom im Sinne des Auftrags anpassen dürfen. Und die Einstellung, dass starre Vorgaben zu Einheitsbrei führen und daher Experimente und Variationen für das Unternehmen notwendig und überlebenswichtig sind. Und schließlich der Einstellung, dass man die Methodenstelle zwar noch braucht, aber eher zum systematischen Erkennen und Aufbereiten, welche Variationen sich unter welchen Rahmenbedingungen bewährt haben und vielleicht zum Coaching der Teams.
Learning is not compulsory… neither is survival.
W. Edwards Deming