Die Sehnsucht einer neuen und besseren Form der wertschätzenden und dadurch wertschöpfenden Zusammenarbeit von Menschen ist größer denn je. Die Industrialisierung und der Taylorismus haben den Mensch zum Mittel gemacht. Gefragt war anfangs nur die Arbeitskraft des ungelernten Arbeiters und Henry Ford beschwerte sich noch, dass er zu jedem Paar Hände auch immer ein Gehirn bekäme. Heute mitten im Zeitalter der Wissensarbeit haben sich die Ansprüche und Rollen des Wissensarbeiters freilich in vielfältiger Weise differenziert. Unverändert blieb meist aber das Grundprinzip, Organisationen als Maschinen zu betrachten und Mitarbeiter als Zahnrädchen darin einzusetzen. Der Mensch ist immer noch Mittel. Punkt. Ich habe einen Traum, dass der Mensch mit all seinem Potential künftig wirklich im Mittelpunkt steht. Und dass genau das den entscheidenden Unterschied macht in der Digitalisierung.
Jahrzehnte sind vergangen seit Peter F. Drucker 1959 den Begriff der Wissensarbeit prägte und treffend feststellte, dass die Organisation diese Wissensarbeiter mehr braucht als umgekehrt die Wissensarbeiter die Organisation. Sie tragen ihre Arbeitsmittel immer in ihrem Kopf und sind daher viel flexibler und unabhängiger als die Arbeiter am Fließband, für die der Taylorismus und das darauf aufbauend das moderne Management erfunden wurden. Diese Wissensarbeiter müssen gleichwürdig und auf Augenhöhe geführt werden. Und da mittlerweile fast jede Arbeit anteilig aus Wissensarbeit besteht, ist Führung heute wirklich nur noch legitim, wenn sie die Selbstführung der ihr anvertrauten Mitarbeiter zum Ziel hat, wie das Götz W. Werner treffend formulierte.
One does not „manage“ people. The task is to lead people.
Peter F. Drucker
Jahrzehnte sind auch vergangen seit Douglas McGregor 1960 das negative Menschenbild des Taylorismus hinterfragte und demgegenüber in seinem Buch „The Human Side of Enterprise“ ein deutlich positiveres stellte. Wer Wissensarbeiter führen will, kann und darf nicht länger davon ausgehen, dass diese faul sind und zur Leistung motiviert werden müssen, wie es die Theorie X des Taylorismus bis dahin postulierte. Die viel hilfreichere Annahme um diese „Armee der Freiwilligen“ (John P. Kotter) zu führen, ist die der Theorie Y, die den Menschen als grundsätzlich motiviert und leistungsbereit sieht. Wenn Menschen diese Leistungsbereitschaft in der Organisation nicht zeigen, ist das folglich ein strukturelles Problem und kein menschliches.
The answer to the question managers so often ask of behavioral scientists „How do you motivate people?“ is, „You don’t.“
Douglas McGregor
Es besteht also Hoffnung. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern „nur“ ein Umsetzungsproblem. Darum habe ich immer noch und immer mehr diesen Traum von einer neuen und besseren Arbeitswelt.
Ich habe einen Traum, dass eines Tages die Wirtschaft dem Menschen und dem Leben dient und dass der Mensch Zweck ist und nicht bloß Mittel.
Ich habe einen Traum, dass wir die Menschen so behandeln, als wären sie, was sie sein sollten und sie so dahin bringen, wohin sie zu bringen sind.
Ich habe einen Traum, dass wir den kläglich gescheiterten Versuch, Menschen mit Anreizen zu Leistung zu motivieren zu den anderen seelenlosen Akten legen und stattdessen Strukturen bauen, die Menschen nicht derart demotivieren, dass sie diese Anreize brauchen, um Leistung zu zeigen.
Ich habe einen Traum, dass der Mensch nicht länger als Ressource betrachtet wird, sondern dass die Entfaltung des individuellen Potenzials als entscheidender Wettbewerbsfaktor im Zeitalter der Digitalisierung gesehen wird.
Ich habe diesen Traum jeden Tag.
Lasst uns gemeinsam träumen. Lasst uns Schritt für Schritt eine neue und bessere Arbeitswelt schaffen. Und lasst uns – ganz im Sinne des Manifests für menschliche Führung – menschenwürdige Organisationen für das Zeitalter der Digitalisierung bauen. Beharrlich im Bemühen, bescheiden in der Erfolgserwartung, wie das kluge Lebensmotto von Götz W. Werner lautet.
Here’s to the crazy ones.
Think different, Apple , 1997
The misfits.
The rebels.
The troublemakers.
The round pegs in the square holes.
The ones who see things differently.
They’re not fond of rules.
And they have no respect for the status quo.
You can quote them, disagree with them, glorify or vilify them.
But the only thing you can’t do is ignore them.
Because they change things.
They push the human race forward.
And while some may see them as the crazy ones,
We see genius.
Because the people who are crazy enough to think
they can change the world,
Are the ones who do.
Ein Beitrag zur #FutureBusiness Blogparade von Stephan Grabmeier.
15 Kommentare
Danke Marcus für diesen tollen Blog. Schön zusammengefasst, wo wir herkommen und optimistisch nach vorn geschaut. Genau diese Denke brauchen wir in der VUCA Welt. Wir können und müssen die neue Arbeitswelt alle gemeinsam positiv gestalten.
Danke, Gabriel. Wir haben es in der Hand.
Da möchte ich glatt aufstehen und sagen: „Ja, ich will.“ Ein schöner Traum, der keiner bleiben sollte. Jede Minute Tätigkeit um diesem Ziel näher zu kommen ist es wert.
Danke! Packen wir es an.
Einer deiner beseeltesten Beiträge Marcus, vielen Dank dafür!
Danke, Ingolf!
Hallo Marcus,
wichtige Aspekte Deines Traumes teilen wir – so denke und vermute ich. Zwei Gedanken möchte ich dennoch hinzufügen, auch wenn diese vielleicht eher pessimistisch klingen.
Die Kritik am Taylorismus ist so alt wie die Idee selbst. Es ist vergessen worden, dass eine der ersten Reaktionen auf die Arbeiten Taylors, eine Anhörung im US Senat war, in der die Unmeschlichkeit und Undemokratie seiner Ideen diskutiert wurde. Den Ausgang dieser Diskussion lehrt uns leider die Geschichte.
Ich halte den Taylorismus mit all seinen Folgeerscheinungen aber nicht für den Kern des Problems. Es ist eher die kapitalistische und materialistische Sicht der Welt, die dem Traum entgegensteht. Solange Menschen sozialen Druck verspüren, wenn sie sich gegen den Materialismus stellen, so lange werden diese Menschen auch bereit sein, die alten Strukturen in Unternehmen zu stützen.
LG Eberhard
Vielen Dank für deine Ergänzungen, Eberhard. Die Details zu der Anhörung im US-Senat kannte ich noch gar nicht, klingt aber tatsächlich eher ernüchternd … und ich gebe dir recht: Das Problem sitzt tiefer.
Lieber Marcus, ich bin ein grosser Fan deiner Worte und des Traums. Ich teile ihn sogar. Danke für Deinen tollen Beitrag. Das, was mir immer wieder Rätsel aufgibt, ist, dass auch viele meiner Kollegen deinen Artikel bejubeln würden… Und dann treffen wir uns im Unternehmen wieder und stiften nur Chaos, da wir Worte wie deine alle unterschiedliche auslegen. Immer wieder schreiben Menschen ohne in einem klassischen Unternehmenssystem zu arbeiten über Führung. Für mich, Angestellte mit Führungsverantwortung, fühlt sich dies wie ein Fingerzeig an. Es ist so einfach über Träume und Systeme von außen zu schreiben. Und selbst schön im Sandwich zu stecken, unerfahren wie ich bin, gewillt einen Unterschied zu machen, kostet ganz schön viel meiner persönlichen Lebenszeit und Energie… Und ich mache nur einen Miniunterschied, wenn überhaupt. Vielleicht wäre das etwas, dass eine externe Perspektive aufnehmen könnte, da ich es noch relevanter finde. Ist das middle management nun selbst leidtragend oder Schuld (und ich hasse es eigentlich in Schuld zu denken… Doch durch viele Blogs erhalte ich den Eindruck, dass es eben diesen ziehenden Finger gibt. Am Ende bestehen auch Systeme aus Menschen, also trägt doch irgendwie jeder zu der Kultur bei… Oder nicht?) Wer kann wirklich einen Unterschied in Unternehmen machen? Ist es wirklich die Shareholder Strategie, die den Mitarbeiter zum Zahnrad beordert?
Und das sind grosse und zugleich rudimentäre Fragen… Und das, obwohl ich selbst systemisch und wirtschaftspsychologisch ausgebildet bin. Viele Grüße, Anja
Liebe Anja, vielen Dank für deine Gedanken. Ich stecke ja auch selbst im System, obwohl ich mir als Agile Coach eher noch eine Position an der Seitenlinie gesucht habe. Ich arbeite aber viel mit unseren Führungskräften und kenne daher den Spagat zwischen Anspruch an sich selbst und die neue Haltung von Führung und dann den Anspruch der „alten“ Organisation und ihrer Kultur an die Führungskraft. Insofern sehe ich Führungskräfte in dem System eher als Leidtragende, die allerdings kraft ihrer Position und Macht einen Unterschied machen können. Es ist aber immer eine Gratwanderung und ein Leben am Limit. Und es ist so viel bequemer einfach die alte Kultur zu befriedigen und so weiter zu machen wie bisher.
*ziehender Finger = zeigender Finger
Du schreibst mir aus der Seele, Markus. Diesen Traum habe ich auch. Er wird in meiner Wahrnehmung torpediert durch politische Spielchen, versteckte Strategie oder individuelle Ziele. Die Generation Z wird in meinen Augen ohne Freiheiten und Spielraum nicht arbeiten wollen. Lasst uns gemeinsam den Traum verwirklichen, indem wir unsere Spielräume ausdehnen und diesen Traum verfolgen. Es wird sich zeigen, welche Unternehmen dann zukünftig erfolgreich sind.
Da bin ich gerne dabei, Marco! Danke für deine Unterstützung.
Danke Marcus, auch ich bin berührt und beseelt von diesem Traum.
Schön, dass ich selber diesen Traum für mich und viele Menschen schon leben kann. Aber noch immer sind wir viel zu wenige. Ich komme grad von einem Firmentreffen zurück, wo die Firmengründer diese Werte schon über 20 Jahre umsetzen und dienend tausenden Menschen diese Wertschätzung und Möglichkeiten eröffnet haben.
Diese Werte und das Manifest sind bedeutender, als sie „nur“ auf das Zeitalter der Digitalisierung zu beschränken.
Ein anderer Unternehmer hat das schon mal so definiert – angelehnt an Zig Ziglar:
„Wir benutzen nicht Menschen um ein Unternehmen aufzubauen – wir benutzen das Unternehmen um Menschen aufzubauen!“
Vielen Dank, lieber Roli! Diese Beispiele geben unglaublich viel Hoffnung. Und das Zitat von diesem Unternehmer ist der Hammer. Das würde sich wunderbar am Anfang des Manifests für menschliche Führung machen!