Die agile Transformation ist kein von Beratern erdachtes und vom Management beauftragtes Change-Projekt, so sehr das manche Verkäufer von Patentrezepten auch propagieren. Die agile Transformation ist eine gemeinsame Lernreise, die alle Ebenen der Hierarchie umfasst. Die Aufgabe von Führung in der Transformation ist es zunächst, den Sinn der Veränderung zu vermitteln und den neuen Kurs zu bestimmen, dann aber einen Schritt zurückzutreten und einen Rahmen zu schaffen, in dem sich die Betroffenen mutig auf die gemeinsame Lernreise der Umsetzung begeben können.
Höhe mal Breite
So sehr ich das gepflegte Rebellentum schätze und Grasswurzelbewegungen liebe, in heute noch hierarchischen Organisationen ist ihre Wirksamkeit immer beschränkt. Solche Bewegungen können eine erstaunliche Breite erreichen und viele Mitstreiter mobilisieren. Zumeist sind das aber Mitstreiter am Fuße der Pyramide. Ohne die Ebenen darüber bleibt diese Bewegung flach und wird im Zweifel unterdrückt.
People don’t resist change – they resist being changed.
Peter Senge
Die agile Transformation von allein von oben zu verordnen ist aber genauso wenig hilfreich. Zu oft haben die Mitarbeiter dieses klassische Change-Muster schon erleben müssen, vornehmlich in Begleitung externer Beratungsfirmen. Die Reaktion ist automatisch passiv-aggressive Ablehnung im Sinne von was Peter Kruse in diesem Video als „baw“ für „bend and wait“ beschreibt, also einfach zurücklehnen und warten bis die neue Sau ergebnislos durchs Dorf getrieben wurde.
Eine erfolgreiche agile Transformation braucht beides: Höhe und Breite. Je größer das Produkt aus Höhe mal Breite, desto besser die Voraussetzungen für den Erfolg. Weder darf das Gefühl aufkommen, dass die Manager den Rest umbauen ohne auch sich selbst zu hinterfragen, noch darf die Rebellion an der Graswurzel zum destruktiven Partisanenkampf von unten gegen oben verkommen. Die Transformation gelingt nur miteinander.
Gemeinsame Lernreise statt Change-Projekt
Es gibt keine Blaupausen für eine agile Organisation und auch keinen Masterplan für die Transformation, egal wie überzeugend die Versprechen entsprechender Berater auch klingen. Der Versuch Patentrezepte und scheinbar bewährte Modelle der eigenen Organisation überzustülpen, führt in die Cargo-Kult-Hölle und endet zwangsläufig in einer Sackgasse.
A good traveler has no fixed plans and is not intent on arriving.
Lao Tzu
Nicht weil die Modelle falsch oder schlecht wären, sondern weil sie nicht das Ergebnis gemeinsamen Bemühens sind. Die agile Transformation ist und bleibt eine Reise ins Ungewisse, auf der die Beteiligten gemeinsam Ausprobieren und Lernen. Dieses Lernen kann beschleunigt werden durch Vernetzung und Austausch, aber nicht abgekürzt durch Blaupausen und Patentrezepte.
Bescheidenheit und Teilhabe
„Wer den Teich austrocknen will, darf nicht die Frösche fragen.“ Dieser Satz klingt logisch und lustig, ist aber als Leitlinie für die Gestaltung von Veränderungen mit Menschen einfach nur dumm und arrogant. Die agile Transformation gelingt nur mit gleichwürdiger Teilhabe. Nur so werden nämlich aus den passiv betroffenen Objekten der Veränderung aktiv gestaltende Subjekte die langfristig in ihrer Eigenständigkeit im Sinne des Ganzen handeln können.
It doesn’t make sense to hire smart people and tell them what to do; we hire smart people so they can tell us what to do.
Steve Jobs
Die Führungsaufgabe ist es also einerseits, die Mission klar und attraktiv zu formulieren und die Menschen dafür zu begeistern ohne schon die fertige Lösung überzustülpen. Gute Führung in der Transformation zeichnet sich daher andererseits aus durch Bescheidenheit in Bezug auf die eigenen beschränkten Fähigkeiten, den richtigen Weg zu kennen gepaart mit einem großen Vertrauen in die Kreativität der betroffenen Mitarbeiter, genau diesen Weg gemeinsam zu finden.