Die Balance zwischen dem effizienten Ausschöpfen bestehender Geschäftsmodelle und dem mutigen Erkunden neuer Chancen für übermorgen ist zu keiner Zeit einfach. Die erste Digitalkamera wurde 1975 bei Kodak erfunden, hatte aber gegen das damals dominante Geschäft mit Filmen keine Chance. Und auch das bekannte Xerox Palo Alto Resarch Center (PARC), das 1970 angesichts der latenten Bedrohung des erfolgreichen Geschäfts mit Fotokopierern aufgrund auslaufenden Patentschutzes für die Xerographie von Xerox gegründet wurde, hat eine beachtliche Liste von Innovationen vorzuweisen vom Laserdrucker, über Programmiersprachen bis hin zur grafischen Benutzeroberfläche. Der einzige Schönheitsfehler dieser Erfolgsgeschichte: „Mit Ausnahme des Laserdruckers, der von Xerox erfolgreich in Form des Laserkopierers vermarktet wurde, hat es Xerox nicht geschafft, diese Erfindungen erfolgreich auf den Markt zu bringen.“ (Quelle: Wikipedia).
Wenn also schon in guten Zeiten die Balance zwischen dem alles dominierenden Erfolgsmodell von heute und den Chancen für übermorgen offenbar schwierig zu finden ist, geraten Unternehmen in Krisenzeiten noch stärker in dieses Ungleichgewicht. Verständlich, denn wer das Heute nicht überlebt, muss sich um das Übermorgen nicht mehr sorgen. Gerät der Focus aber zu sehr auf das wirtschaftliche Überleben hier und heute wird er zum Tunnelblick und gefährdet damit die langfristige Existenz.
May we never confuse honest dissent with disloyal subversion.
Dwight D. Eisenhower
Schnell und zielgerichtet hat der Hochlauf zu alter Stärke nach der Krise zu erfolgen. Diversität und Dissens stören dabei nur. Die Krise fördert Konformität und Konsens und legt mit dieser geistigen Monokultur den Grundstein für die nächste Krise. „Think different“ war gestern. Organisationsrebellen und Hofnarren sind deshalb gerade nicht gefragt, aber umso wichtiger, weil sie in dieser Phase mit konstruktiver Irritation den Blick wieder weiten und vom Heute auf das Übermorgen lenken.
In der Krise werden die Weichen für Übermorgen gestellt. Bei aller Geschlossenheit und Entschlossenheit ist Diversität und Dissens in dieser Phase kein Fehler. Ganz im Gegenteil. Peter F. Drucker rät in seinem Buch „The Effective Excecutive“ (Amazon Affiliate-Link) explizit dazu wichtige Entscheidungen nicht ohne vorhergehenden Dissens zu treffen. Als Paradebeispiel dafür nennt er Alfred P. Sloan, der angeblich in einer Sitzung seines obersten Führungskreises gesagt haben soll: „Meine Herren, ich sehe, dass wir alle einer Meinung bei dieser Entscheidung sind.“ Als alle zustimmend nickten, fuhr er fort: „Deshalb schlage ich vor, dass wir die Diskussion in dieser Sache bis zur nächsten Sitzung vertagen, damit wir uns die nötige Zeit nehmen, um unterschiedlicher Meinung zu sein und wenigstens etwas Verständnis gewinnen, um was es bei der Entscheidung geht.“