Sei du selbst die Veränderung, die du dir in der Welt wünscht. Dieses Bonmot wird gerne Mahatma Gandhi zugeschrieben, obwohl er es exakt so wohl nicht gesagt hat. Veränderung beginnt immer bei einem selbst, bei der eigenen Haltung und beim eigenen Denken. Insbesondere gilt das in Bezug auf den Wandel des Führungsbegriffs hin zu einer Führung zur Selbstführung, die sich nicht länger als Privileg, sondern als Dienstleistung versteht und deren Ziel es sein muss, andere erfolgreich zu machen. Dieser Wandel beginnt notwendigerweise beim jeweiligen Menschenbild und dem jeweiligen Selbstverständnis der Führungskraft. Dieser Wandel ist aber auch immer eine Störung des Systems und der Kultur, was zunächst auf Skepsis und Ablehnung stoßen wird und vielfach irgendwo zwischen Faulheit, Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit ausgelegt werden wird. Umso wichtiger ist die Klarheit des eigenen Führungsverständnis als Fundament, um darauf basierend die Anspruchshaltung sowohl seitens der geführten Mitarbeiter als auch der umgebenden Strukturen nach und nach verändern zu können.
Two roads diverged in a wood, and I —
I took the one less traveled by,
And that has made all the difference.
Robert Frost
So sehr man selbst auch inspiriert ist von Vorbildern wie Bodo Janssen bei der Hotelkette Upstalsboom, dem dm-Gründer Götz W. Werner, dem US-General Stanley McChrystal oder dem U‑Boot Kommandanten David Marquet, um nur einige zu nennen, so schwierig ist es diese Inspiration und Motivation im ernüchternden täglichen Miteinander nicht schnell wieder zu verlieren. Ich würde nicht so weit gehen und behaupten, dass es kein richtiges Leben im falschen gäbe, sich täglich am noch nicht ganz richtigen zu reiben, zermürbt aber doch irgendwann. Um dieser Tendenz entgegenzuwirken braucht es ein dichtes Netz Gleichgesinnter und Schicksalsgenossen, um einen Schritt zurück zu treten, die eigenen Erfahrungen zu reflektieren und den durch das tägliche Ringen des richtigen mit dem falschen Leben verstellten Kompass wieder zu eichen. Auch mein allmähliches Verfertigen der Gedanken beim Schreiben hier dient nicht unwesentlich genau diesem Reflektieren und dem Austausch mit Gleichgesinnten.
After living with their dysfunctional behavior for so many years (a sunk cost if ever there was one), people become invested in defending their dysfunctions rather than changing them.
Marshall Goldsmith
Auf dem Weg zu neuer Führung spürt man als Führungskraft – neben dem Kampf mit den eigenen Gewohnheiten und alten Mustern – Gegenwind sowohl aus Richtung der geführten Mitarbeiter als auch seitens des umgebenden, meist hierarchisch organisierten und tayloristisch geprägten Systems. Neue Führung weicht ab und stört die ungeschriebenen und teils unbewussten Regeln der Organisationskultur. Und das ist gut so, denn Veränderung braucht Störung. Veränderung braucht aber auch Zeit und bedarf der Erklärung. In Bezug auf neue Führung nur an sich selbst zu arbeiten und die anderen für rückwärts gerichtet, uneinsichtig und unflexibel zu erklären wäre eine komplette Themaverfehlung. Vielmehr muss täglich mit der Diskrepanz zwischen Anspruchshaltung an Führung, wie sie in der jeweiligen Kultur immer schon war, und einer irritierenden neuen und anderen Art der Führung gearbeitet werden.
If you want people to to think, give them intent, not instruction.
David Marquet
Am besten lässt sich diese Diskrepanz und die Arbeit damit am Beispiel von Entscheidungen sehen. In den meisten Organisationen wird das Treffen von Entscheidungen als wesentliche und wichtige Aufgabe von Führungskräften gesehen. Genau das tat David Marquet aber nicht mehr als Kommandant der USS Santa Fe. Es machte für ihn keinen Sinn, weil er gar nicht das nötige Wissen dafür hatte. Er verlagerte die Entscheidung dorthin wo das Wissen und die Informationen dafür waren, nämlich zu den Mitarbeitern. Damit verkürzte er die Entscheidungswege radikal und verbesserte die Qualität derart, dass die USS Santa Fe sich vom schlechtesten U‑Boot der Marine zum besten wandelte. Diese Anpassung brauchte Zeit und erforderte fortwährende bewusste Arbeit, um nicht in alte Muster zurückzufallen. Nach und nach fragten aber immer weniger Offiziere um Erlaubnis, sondern begannen selbst wie der Kommandant zu denken und übernahmen Verantwortung für ihre Entscheidungen und die Entscheidungen ihrer Teams. Ziel muss es sein, die Mitarbeiter derart zu ermächtigen, dass sie neben allen Informationen auch den Mut haben, selbst zu entscheiden.
So weit, so gut. Wenn nun aber die Mitarbeiter als die Experten gesehen und behandelt werden, die sie in den meisten Fällen auch sind und die Führungskraft nicht mehr die beste Fachkraft ist oder spielt, droht sofort die nächste Irritation. Entscheidungswege, Gremien und Kreise in hierarchischen Organisationen gehen davon aus, dass nur die Führungskraft teilnimmt und diese auch auskunfts- und entscheidungsfähig ist. Das Resultat sind entsprechende Briefing-Orgien im Vorfeld wichtiger Gremientermine. Experten stattdessen einfach mit in solche Termine zu nehmen und dort vielleicht sogar anstatt seiner entscheiden zu lassen, wird – wenn es überhaupt toleriert wird – als Führungsschwäche angesehen. Genau deswegen lohnt sich diese bewusste Provokation aber, denn sie bietet die Möglichkeit, die Kultur zu hinterfragen und lädt die anderen Führungskräfte zum Nachdenken ein.
Never doubt that a small group of thoughtful, concerned citizens can change the world. Indeed it is the only thing that ever has.
Margaret Mead (zugeschrieben)
2 Kommentare
Das Ziel die Mitarbeiter derart zu ermächtigen, dass sie neben allen Informationen auch den Mut haben, selbst zu entscheiden.
Meiner Meinung nach muss man solche Ziele als „Führungskraft“ vorleben. In der Regel ist man ja auch an einen Vorgesetzten gebunden. Man muss also selbst den Mut beweisen und die Entscheidung mit all ihren Konsequenzen vorleben, solange die Transformation in der Gesellschaft/Firma nicht vollzogen ist.
Absolut. Durch dieses Vorleben des Neuen in seinem Verantwortungsbereich bei gleichzeitiger Einbettung in das Alte ergibt sich genau die beschriebene Sandwich-Situation mit den vielfältigen Problemen.