Ein Jahr der Unsicherheit, der Herausforderungen und der Veränderung geht zu Ende. Es begann für uns wie es besser nicht beginnen hätte können: Am 4.1. kam unser Sohn Valentin gesund und munter zur Welt. Seither bereichert das kleine Energiebündel das unser Leben als Eltern und das Leben seiner beiden Schwestern Marie und Ella auf einzigartige Weise. Dafür bin ich unglaublich dankbar.
Dann kam Corona. Wie so viele verbrachte ich die meiste Zeit des Jahres im Homeoffice. Auch dafür bin ich sehr dankbar, weil ich dadurch unser Familienleben und insbesondere das erste Lebensjahr von Valentin in einer Intensität erleben konnte, die ich trotz mehrerer Monate Elternzeit bei unseren Töchtern so bisher nicht kannte.
So eine Krise hat auch katalytische Wirkung. So manches tritt klarer zutage als es bisher der Fall war. Für mich beschleunigte sich durch Corona der Prozess meiner beruflichen Neuorientierung. Vielleicht ist diese Krise der schlechteste Zeitpunkt dafür, vielleicht aber auch der beste, weil in vielen Unternehmen gerade durch die Krise sich der Veränderungsdruck in Richtung Agilität erheblich verstärkte. Im Wesentlichen gebe ich Max Frisch durchaus recht: „Eine Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.“
Love it, Change it or Leave it
What we call the beginning is often the end. And to make an end is to make a beginning. The end is where we start from.
T.S. Eliot
Ich hatte ohnehin nie einen Hehl aus meinen Anpassungsschmerzen im Konzern gemacht. Ich bin trotzdem geblieben, weil ich die einmalige Chance spürte, zusammen mit vielen Mitstreitern eine Veränderung zu bewirken und dem Elefanten ein wenig das Tanzen beizubringen.
Hoffnung gaben mir anfangs Graswurzelbewegungen wie der Connected Culture Club oder auch Working Out Loud, die beide wesentliche Beiträge zur Stärkung einer offenen Lernkultur als Grundlage für Agilität sind.
Mein Schwerpunkt der letzten Jahre war ganz eindeutig die agile Transformation der BMW Group IT. Aus einigen verstreuten Agilisten der ersten Stunde (auch so eine Graswurzelbewegung) und viel Pioniergeist wurde irgendwann Ende 2016 die Strategie 100% Agile und für mich begannen dadurch die lehrreichsten und besten zweieinhalb Jahre als Agile Transformation Agent.
Seit Mitte 2019 ist die agile Transformation der BMW Group IT nun in eine Phase der Konsolidierung, Operationalisierung und Industrialisierung eingetreten. Die Zeit der Pionierarbeit ist damit vorbei. Deshalb braucht es jetzt weniger Pioniere und dafür mehr Siedler und insbesondere Städtebauer, um es mit dem sehr passenden Modell von Simon Wardley auszudrücken. Ich bin aber leidenschaftlich Pionier und deshalb muss ich jetzt auch konsequent sein und eine neue berufliche Heimat finden, wo diese Kompetenz und Leidenschaft hier und heute wieder besser zur Wirkung kommt.
Alles hat eben seine Zeit.
Your time is limited, so don’t waste it living someone else’s life. Don’t be trapped by dogma — which is living with the results of other people’s thinking. Don’t let the noise of others’ opinions drown out your own inner voice. And most important, have the courage to follow your heart and intuition. They somehow already know what you truly want to become. Everything else is secondary.
Steve Jobs
Nun stellt sich natürlich die Frage, wo dieser Ort ist und wohin es mich konkret zieht. Klar ist, dass ich auf meiner Erfahrung mit Agilität, mit der agilen Transformation und auch mit Agile Leadership entlang meines Manifests für menschliche Führung (Amazon Affiliate-Link) aufbauen werde. Ob als selbstständiger Impulsgeber und Berater oder bei einem Beratungsunternehmen oder in einem anderen Konzern wird aber noch nicht verraten.
Es bleibt spannend.
Was sich nicht veränderte
Das Manifest für menschliche Führung gibt es seit Januar dieses Jahres auch in englischer Fassung als Taschenbuch und beide Ausgaben erfreuen sich immer noch großer Beliebtheit mit mittlerweile über 4.500 verkauften Exemplaren. Eine besondere Freude sind für mich die fast 100 Bewertungen bei Amazon mit durchschnittlich 4,5 von 5 Sternen. Da hinter meinen Büchern kein großer Verlag mit großem Marketing steht hilft jede einzelne Bewertung bei der Verbreitung des Manifests.
Auch 2020, dem Jahr des zehnjährigen Bestehens dieses Blogs, erschienen wieder 50 Artikel. Getreu meinem, von Heinrich von Kleist entliehenen, Motto der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Schreiben habe ich in diesen Artikeln verarbeitet, was mich beschäftigte. Wenig verwunderlich waren das Themen rund um Agilität und Führung, insbesondere in dem durch die Corona-Pandemie ausgelösten verteilten Szenario, was sich auch in den fünf meistgelesenen Artikeln widerspiegelt.
Die immer wieder gestellte Frage „Wie kontrolliere ich, ob meine Mitarbeiter im Homeoffice ihre Arbeit verrichten?“ ist eigentlich ein Offenbarungseid. Sie ist Ausdruck eines Führungsversagens auf Basis eines bedauerlichen Menschenbilds.
Marcus Raitner
Videokonferenzen sind auch keine Lösung
Wo nun so viele im Homeoffice arbeiten, stellt sich die Frage, wie man gut verteilt zusammenarbeitet. Räumlich verteilte Zusammenarbeit geht nicht nur in Videokonferenzen, sondern muss auch und zuerst bedeuten, schriftlich und asynchron zu kommunizieren.
Narrative des Präsenzkults: Der Kapitän gehört auf die Brücke
Mit den ersten Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen beginnt in vielen Büros das Hochfahren zurück zum Präsenzkult der Vor-Corona-Zeit, weil es echte Arbeit nur im Büro und nur unter Aufsicht geben kann.
Homeoffice: Worum es wirklich geht
Homeoffice ist tatsächlich nur vordergründig eine Frage des Arbeitsorts. Im Kern geht es dabei um das Prinzip der Augenhöhe, um Menschenbilder, Vertrauen statt Kontrolle und ganz grundsätzlich um das Verhältnis zwischen Führungskraft und Wissensarbeiter.
Führung auf Distanz – Gärtner schlägt Schachmeister
Die Krise beschleunigt die Digitalisierung. Verteilte Zusammenarbeit aus dem Homeoffice statt gemeinsam im Großraumbüro ist plötzlich der Standard. Doch wie gelingt Führung auf Distanz? Einige Anstiftungen zum Umdenken aus dem Manifest für menschliche Führung.
Die fünf Säulen des Wohlbefindens
In welcher Umgebung blühen Menschen auf und was lässt sie verkümmern? Und welche wesentlichen Kategorien gibt es überhaupt, um Einfluss darauf zu nehmen. Wo kann und muss Führung den Hebel ansetzen? Das PERMA-Modell des Psychologen Martin Seligman bietet einige sehr gute Antworten.
Dankeschön!
Mein Dank gilt allen Lesern und ganz besonders denjenigen, die meine Arbeit hier großzügig via Steady unterstützen, denn nur dadurch kann ich das Blog hier frei von jeglicher Werbung betreiben.
Mit diesem Artikel verabschiede ich mich für dieses Jahr und wünsche erholsame Feiertage und einen guten Start in ein gesundes und hoffentlich weniger turbulentes Jahr 2021.
5 Kommentare
Lieber Marcus,
auch Dir und Deiner Familie fröhliche und erholsame Weihnachtsfeiertagen und eine tollen Start in das neue Jahr!
Viele Grüße
Dirk
Vielen Dank, Dirk
Ich wünsche Dir auch ein frohes Fest, guten Rutsch und viel Erholung. Danke für die vielen Denkanstöße.
Oliver
Vielen Dank, Oliver
Lieber Marcus,
ich wünsche Dir aber auch allen Lesern dieses Blogs eine fröhliche und erholsame Weihnachtszeit.
Und ich verrate nicht so viel, dass ich mich über deine berufliche Veränderung sehr freue. Das wird ein spannendes Jahr 2021.
André