Das war 2020: Alles hat seine Zeit

Das Jahr 2020 war außergewöhnlich in vielerlei Hinsicht. Es gab viele Herausforderungen, aber auch Chancen und Lichtblicke. Die Krise hat vieles beschleunigt – unter anderem meine berufliche Neuorientierung. Insofern ist die Krise wirklich ein produktiver Zustand, wie es Max Frisch einst schrieb.

Ein Jahr der Unsi­cher­heit, der Her­aus­for­de­run­gen und der Ver­än­de­rung geht zu Ende. Es begann für uns wie es bes­ser nicht begin­nen hät­te kön­nen: Am 4.1. kam unser Sohn Valen­tin gesund und mun­ter zur Welt. Seit­her berei­chert das klei­ne Ener­gie­bün­del das unser Leben als Eltern und das Leben sei­ner bei­den Schwes­tern Marie und Ella auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se. Dafür bin ich unglaub­lich dankbar.

Dann kam Coro­na. Wie so vie­le ver­brach­te ich die meis­te Zeit des Jah­res im Home­of­fice. Auch dafür bin ich sehr dank­bar, weil ich dadurch unser Fami­li­en­le­ben und ins­be­son­de­re das ers­te Lebens­jahr von Valen­tin in einer Inten­si­tät erle­ben konn­te, die ich trotz meh­re­rer Mona­te Eltern­zeit bei unse­ren Töch­tern so bis­her nicht kannte.

So eine Kri­se hat auch kata­ly­ti­sche Wir­kung. So man­ches tritt kla­rer zuta­ge als es bis­her der Fall war. Für mich beschleu­nig­te sich durch Coro­na der Pro­zess mei­ner beruf­li­chen Neu­ori­en­tie­rung. Viel­leicht ist die­se Kri­se der schlech­tes­te Zeit­punkt dafür, viel­leicht aber auch der bes­te, weil in vie­len Unter­neh­men gera­de durch die Kri­se sich der Ver­än­de­rungs­druck in Rich­tung Agi­li­tät erheb­lich ver­stärk­te. Im Wesent­li­chen gebe ich Max Frisch durch­aus recht: „Eine Kri­se ist ein pro­duk­ti­ver Zustand. Man muss ihr nur den Bei­geschmack der Kata­stro­phe nehmen.“

Love it, Change it or Leave it

What we call the begin­ning is often the end. And to make an end is to make a begin­ning. The end is whe­re we start from.

T.S. Eli­ot

Ich hat­te ohne­hin nie einen Hehl aus mei­nen Anpas­sungs­schmer­zen im Kon­zern gemacht. Ich bin trotz­dem geblie­ben, weil ich die ein­ma­li­ge Chan­ce spür­te, zusam­men mit vie­len Mit­strei­tern eine Ver­än­de­rung zu bewir­ken und dem Ele­fan­ten ein wenig das Tan­zen beizubringen.

Hoff­nung gaben mir anfangs Gras­wur­zel­be­we­gun­gen wie der Con­nec­ted Cul­tu­re Club oder auch Working Out Loud, die bei­de wesent­li­che Bei­trä­ge zur Stär­kung einer offe­nen Lern­kul­tur als Grund­la­ge für Agi­li­tät sind.

Mein Schwer­punkt der letz­ten Jah­re war ganz ein­deu­tig die agi­le Trans­for­ma­ti­on der BMW Group IT. Aus eini­gen ver­streu­ten Agi­lis­ten der ers­ten Stun­de (auch so eine Gras­wur­zel­be­we­gung) und viel Pio­nier­geist wur­de irgend­wann Ende 2016 die Stra­te­gie 100% Agi­le und für mich began­nen dadurch die lehr­reichs­ten und bes­ten zwei­ein­halb Jah­re als Agi­le Trans­for­ma­ti­on Agent.

Seit Mit­te 2019 ist die agi­le Trans­for­ma­ti­on der BMW Group IT nun in eine Pha­se der Kon­so­li­die­rung, Ope­ra­tio­na­li­sie­rung und Indus­tria­li­sie­rung ein­ge­tre­ten. Die Zeit der Pio­nier­ar­beit ist damit vor­bei. Des­halb braucht es jetzt weni­ger Pio­nie­re und dafür mehr Sied­ler und ins­be­son­de­re Städ­te­bau­er, um es mit dem sehr pas­sen­den Modell von Simon Ward­ley aus­zu­drü­cken. Ich bin aber lei­den­schaft­lich Pio­nier und des­halb muss ich jetzt auch kon­se­quent sein und eine neue beruf­li­che Hei­mat fin­den, wo die­se Kom­pe­tenz und Lei­den­schaft hier und heu­te wie­der bes­ser zur Wir­kung kommt. 

Alles hat eben sei­ne Zeit.

Your time is limi­t­ed, so don’t was­te it living someone else’s life. Don’t be trap­ped by dog­ma — which is living with the results of other people’s thin­king. Don’t let the noi­se of others’ opi­ni­ons drown out your own inner voice. And most important, have the cou­ra­ge to fol­low your heart and intui­ti­on. They somehow alre­a­dy know what you tru­ly want to beco­me. Ever­y­thing else is secondary.

Ste­ve Jobs

Nun stellt sich natür­lich die Fra­ge, wo die­ser Ort ist und wohin es mich kon­kret zieht. Klar ist, dass ich auf mei­ner Erfah­rung mit Agi­li­tät, mit der agi­len Trans­for­ma­ti­on und auch mit Agi­le Lea­der­ship ent­lang mei­nes Mani­fests für mensch­li­che Füh­rung (Ama­zon Affi­lia­te-Link) auf­bau­en wer­de. Ob als selbst­stän­di­ger Impuls­ge­ber und Bera­ter oder bei einem Bera­tungs­un­ter­neh­men oder in einem ande­ren Kon­zern wird aber noch nicht verraten.

Es bleibt spannend. 

Was sich nicht veränderte 

Das Mani­fest für mensch­li­che Füh­rung gibt es seit Janu­ar die­ses Jah­res auch in eng­li­scher Fas­sung als Taschen­buch und bei­de Aus­ga­ben erfreu­en sich immer noch gro­ßer Beliebt­heit mit mitt­ler­wei­le über 4.500 ver­kauf­ten Exem­pla­ren. Eine beson­de­re Freu­de sind für mich die fast 100 Bewer­tun­gen bei Ama­zon mit durch­schnitt­lich 4,5 von 5 Ster­nen. Da hin­ter mei­nen Büchern kein gro­ßer Ver­lag mit gro­ßem Mar­ke­ting steht hilft jede ein­zel­ne Bewer­tung bei der Ver­brei­tung des Manifests.

Auch 2020, dem Jahr des zehn­jäh­ri­gen Bestehens die­ses Blogs, erschie­nen wie­der 50 Arti­kel. Getreu mei­nem, von Hein­rich von Kleist ent­lie­he­nen, Mot­to der all­mäh­li­chen Ver­fer­ti­gung der Gedan­ken beim Schrei­ben habe ich in die­sen Arti­keln ver­ar­bei­tet, was mich beschäf­tig­te. Wenig ver­wun­der­lich waren das The­men rund um Agi­li­tät und Füh­rung, ins­be­son­de­re in dem durch die Coro­na-Pan­de­mie aus­ge­lös­ten ver­teil­ten Sze­na­rio, was sich auch in den fünf meist­ge­le­se­nen Arti­keln widerspiegelt.

Die immer wie­der gestell­te Fra­ge „Wie kon­trol­lie­re ich, ob mei­ne Mit­ar­bei­ter im Home­of­fice ihre Arbeit ver­rich­ten?“ ist eigent­lich ein Offen­ba­rungs­eid. Sie ist Aus­druck eines Füh­rungs­ver­sa­gens auf Basis eines bedau­er­li­chen Menschenbilds.

Mar­cus Raitner

Videokonferenzen sind auch keine Lösung

Wo nun so vie­le im Home­of­fice arbei­ten, stellt sich die Fra­ge, wie man gut ver­teilt zusam­men­ar­bei­tet. Räum­lich ver­teil­te Zusam­men­ar­beit geht nicht nur in Video­kon­fe­ren­zen, son­dern muss auch und zuerst bedeu­ten, schrift­lich und asyn­chron zu kommunizieren.

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Narrative des Präsenzkults: Der Kapitän gehört auf die Brücke

Mit den ers­ten Locke­run­gen der Aus­gangs­be­schrän­kun­gen beginnt in vie­len Büros das Hoch­fah­ren zurück zum Prä­senz­kult der Vor-Coro­na-Zeit, weil es ech­te Arbeit nur im Büro und nur unter Auf­sicht geben kann.

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Homeoffice: Worum es wirklich geht

Home­of­fice ist tat­säch­lich nur vor­der­grün­dig eine Fra­ge des Arbeits­orts. Im Kern geht es dabei um das Prin­zip der Augen­hö­he, um Men­schen­bil­der, Ver­trau­en statt Kon­trol­le und ganz grund­sätz­lich um das Ver­hält­nis zwi­schen Füh­rungs­kraft und Wissensarbeiter.

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Führung auf Distanz – Gärtner schlägt Schachmeister

Die Kri­se beschleu­nigt die Digi­ta­li­sie­rung. Ver­teil­te Zusam­men­ar­beit aus dem Home­of­fice statt gemein­sam im Groß­raum­bü­ro ist plötz­lich der Stan­dard. Doch wie gelingt Füh­rung auf Distanz? Eini­ge Anstif­tun­gen zum Umden­ken aus dem Mani­fest für mensch­li­che Führung.

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Die fünf Säulen des Wohlbefindens

In wel­cher Umge­bung blü­hen Men­schen auf und was lässt sie ver­küm­mern? Und wel­che wesent­li­chen Kate­go­rien gibt es über­haupt, um Ein­fluss dar­auf zu neh­men. Wo kann und muss Füh­rung den Hebel anset­zen? Das PER­MA-Modell des Psy­cho­lo­gen Mar­tin Selig­man bie­tet eini­ge sehr gute Antworten.

[Wei­ter­le­sen]

Dankeschön!

Mein Dank gilt allen Lesern und ganz beson­ders den­je­ni­gen, die mei­ne Arbeit hier groß­zü­gig via Ste­ady unter­stüt­zen, denn nur dadurch kann ich das Blog hier frei von jeg­li­cher Wer­bung betreiben. 

Mit die­sem Arti­kel ver­ab­schie­de ich mich für die­ses Jahr und wün­sche erhol­sa­me Fei­er­ta­ge und einen guten Start in ein gesun­des und hof­fent­lich weni­ger tur­bu­len­tes Jahr 2021.



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5 Kommentare

Dirk Rosenkranz 16. Dezember 2020 Antworten

Lie­ber Marcus,

auch Dir und Dei­ner Fami­lie fröh­li­che und erhol­sa­me Weih­nachts­fei­er­ta­gen und eine tol­len Start in das neue Jahr!

Vie­le Grüße
Dirk

Marcus Raitner 19. Dezember 2020 Antworten

Vie­len Dank, Dirk

Oliver Schmitt 16. Dezember 2020 Antworten

Ich wün­sche Dir auch ein fro­hes Fest, guten Rutsch und viel Erho­lung. Dan­ke für die vie­len Denkanstöße.
Oliver

Marcus Raitner 19. Dezember 2020 Antworten

Vie­len Dank, Oliver

André Claaßen 23. Dezember 2020 Antworten

Lie­ber Marcus,

ich wün­sche Dir aber auch allen Lesern die­ses Blogs eine fröh­li­che und erhol­sa­me Weihnachtszeit. 

Und ich ver­ra­te nicht so viel, dass ich mich über dei­ne beruf­li­che Ver­än­de­rung sehr freue. Das wird ein span­nen­des Jahr 2021.

André

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