Die zehn Prinzipien hinter dem Manifest für menschliche Führung

Die sechs The­sen mei­nes Mani­fests für mensch­li­che Füh­rung (Ama­zon Affi­lia­te Link) sind bewusst offen gehal­ten. Sie span­nen einen mög­lichst wei­ten Rah­men und geben eine unge­fäh­re Rich­tung vor. Sie sol­len dadurch zum Reflek­tie­ren über Füh­rung ein­la­den und anre­gen (ger­ne auch mit den bei­den hier und hier ver­füg­ba­ren Work­shop­for­ma­ten). Hin­ter die­sen The­sen lie­gen aber, wie beim Mani­fest für agi­le Soft­ware­ent­wick­lung auch, kon­kre­te Prin­zi­pi­en für gelin­gen­de mensch­li­che und men­schen­wür­di­ge Füh­rung im Zeit­al­ter der Digitalisierung.

Der Mensch ist Zweck und nicht bloß Mittel des Wirtschaftens.

Unter­neh­men und Orga­ni­sa­tio­nen sind mehr als nur Orte der Wert­schöp­fung und der Pro­fit­ma­xi­mie­rung. Der wirt­schaft­li­che Erfolg ist viel­mehr die Fol­ge der Ent­fal­tung des mensch­li­chen Poten­zi­als. Wir betrach­ten den Men­schen daher nicht nur als Res­sour­ce, son­dern sehen die Ent­fal­tung sei­ner Fähig­kei­ten als ent­schei­den­den Wett­be­werbs­fak­tor im Zeit­al­ter der Digi­ta­li­sie­rung. Die Orga­ni­sa­ti­on ist für den Men­schen die Werk­statt für gelin­gen­des Leben, wie Bene­dikt von Nur­sia, der Grün­der des Bene­dik­ti­ner­or­dens, das so tref­fend formulierte.

Die Werk­statt aber, in der wir das alles sorg­fäl­tig ver­wirk­li­chen sol­len, ist der Bereich des Klos­ters und die Bestän­dig­keit in der Gemeinschaft.

Regu­la Bene­dic­ti (4,78)

Führung heißt, andere erfolgreich machen

Wäh­rend unser Han­deln lan­ge von der auf das Ego zen­trier­ten Fra­ge „Was habe ich davon, dass es die ande­ren und die Gemein­schaft gibt?“ gelei­tet wird, geht es uns viel­mehr um die ent­ge­gen­ge­setz­te Fra­ge­stel­lung: „Was hat die Gemein­schaft davon, dass es mich gibt?“ Unser Ziel ist es Men­schen zu befä­hi­gen und sie damit wach­sen zu las­sen, statt sie zu beleh­ren und klein zu hal­ten. Füh­rung bedeu­tet, Stär­ken zu stär­ken und Schwä­chen irrele­vant zu machen.

Füh­ren heißt: dem Leben die­nen, Leben her­vor­lo­cken in den Men­schen, Leben wecken in den Mitarbeitern.

Anselm Grün

Führung ist Beziehung, nicht Erziehung

Füh­rung fin­det immer in und durch Bezie­hun­gen zwi­schen Men­schen statt. Auch in unse­ren Orga­ni­sa­tio­nen ach­ten wir daher auf die Qua­li­tät der Bezie­hun­gen und gestal­ten sie nicht mit Angst, son­dern mit Gleich­wür­dig­keit.

Gleich­wür­dig bedeu­tet sowohl „von glei­chem Wert“ (als Mensch) als auch „mit dem­sel­ben Respekt“ gegen­über der per­sön­li­chen Wür­de und Inte­gri­tät des Part­ners. In einer gleich­wür­di­gen Bezie­hung wer­den Wün­sche, Anschau­un­gen und Bedürf­nis­se bei­der Part­ner glei­cher­ma­ßen ernst genommen.

Jes­per Juul: Was Fami­li­en trägt.

Kontext statt Kontrolle

Die wesent­li­che Füh­rungs­auf­ga­be ist es nicht, selbst die Ent­schei­dun­gen zu tref­fen, son­dern Rah­men­be­din­gun­gen zu gestal­ten, dass Mit­ar­bei­ter eigen­stän­dig ent­schei­den kön­nen. Füh­rung ist nur noch legi­tim, wenn sie die Selbst­füh­rung der ihr anver­trau­ten Mit­ar­bei­ter zum Ziel hat, wie der dm-Grün­der Götz W. Wer­ner das tref­fend for­mu­liert. Wie ein Gärt­ner gestal­ten wir bestän­dig den Rah­men dafür.

A lea­der’s job is to fix the envi­ron­ment whe­re peo­p­le have beco­me dis­en­ga­ged; not to fix dis­en­ga­ged people.

L. David Marquet

Eigenverantwortung statt Gehorsam

Die Auf­ga­be von Füh­rung ist es, die­se Selbst­dis­zi­plin her­vor­zu­lo­cken und zu för­dern. So wie Eltern nicht immer neben ihren Kin­dern mit erho­be­nem Zei­ge­fin­ger ste­hen und Fehl­ver­hal­ten bestra­fen kön­nen, kön­nen und wol­len wir nicht jeden Hand­griff der Mit­ar­bei­ter kon­trol­lie­ren. In bei­den Situa­tio­nen ist es unser Ziel, dar­auf ver­trau­en zu kön­nen, dass eigen­stän­dig rich­tig gehan­delt wird im Sin­ne des Gan­zen.

Dis­zi­plin erhält man durch Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und Eigen­ver­ant­wor­tung, durch Dis­zi­pli­nie­rung bekommt man nur Gehorsam.

Gerald Hüt­her

Führung stellt Fragen, statt Antworten zu geben.

Wer führt, der fragt. Fra­gen zu stel­len ist kein Zei­chen von Schwä­che, son­dern von Weis­heit. So wie es für Sokra­tes ein Stück Weis­heit bedeu­te­te, sich des eige­nen Nicht-Wis­sens bewusst zu sein: „Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ Gute Fra­gen ermög­li­chen einen Dia­log auf Augen­hö­he. Wir stel­len Fra­gen ohne Vor­ur­tei­le mit auf­rich­ti­gem Inter­es­se für die Per­spek­ti­ve und Mei­nung des Ande­ren. Gera­de in der Füh­rungs­ar­beit, die immer durch ein Macht­ge­fäl­le und dadurch ein­ge­üb­te Ver­hal­tens­wei­sen gekenn­zeich­net ist und wodurch die Augen­hö­he beein­träch­tigt wird, ist die­se Hal­tung der Demut und der Auf­rich­tig­keit entscheidend. 

Hum­ble Inquiry is the fine art of dra­wing someone out, of asking ques­ti­ons to which you do not alre­a­dy know the ans­wer, of buil­ding a rela­ti­onship based on curio­si­ty and inte­rest in the other person.

Edgar H. Schein, Hum­ble Inquiry: The Gent­le Art of Asking Ins­tead of Telling

Vertrauen ist das Fundament von Führung. 

Angst und Druck erzeu­gen viel­leicht kurz­fris­ti­gen Gehor­sam, sind aber der krea­ti­ven Höchst­leis­tung, die wir in der Wis­sens­ar­beit am Anfang des 21. Jahr­hun­derts mehr denn je brau­chen, wenig zuträg­lich. Wis­sens­ar­beit bedingt Frei­wil­lig­keit (vgl. Peter F. Dru­cker, Management’s New Para­digm, 1998) Frei­wil­lig und mit gan­zem Her­zen fol­gen wir aber nur, wem wir ver­trau­en. Ver­trau­en ruht auf drei Säu­len. Wir ver­trau­en einem ande­ren Men­schen, wenn uns ers­tens sei­ne Ideen, Argu­men­te und Fähig­kei­ten über­zeu­gen (Logik), wenn wir ihn zwei­tens als auf­rich­tig mensch­lich wahr­neh­men (Authen­ti­zi­tät) und wenn wir drit­tens spü­ren, dass es dem ande­ren vor­ran­gig um uns und die gemein­sa­me Sache geht (Empa­thie).

Signal­ing a lack of empa­thy is a major bar­ri­er to empower­ment lea­der­ship. If peo­p­le think you care more about yours­elf than about others, they won’t trust you enough to lead them.

Fran­ces Frei and Anne Mor­riss (2020). Ever­y­thing Starts with Trust. Har­vard Busi­ness Review.

Führung schafft Sicherheit.

Ver­trau­en und Koope­ra­ti­on gedei­hen am bes­ten in einem Kli­ma der psy­cho­lo­gi­schen Sicher­heit. Nur wenn sich die Mit­glie­der einer Grup­pe ein­an­der ver­trau­en und sich sicher genug füh­len, ihre Mei­nung offen zu sagen und Risi­ken ein­zu­ge­hen, kann das Gan­ze mehr als die Sum­me sei­ner Tei­le werden. 

Dri­ve out fear, so that ever­yo­ne may work effec­tively for the company.

W. Edwards Deming

Vorbild ist alles.

Auto­ri­tät ist kei­ne Fra­ge der Posi­ti­on, son­dern des vor­bild­li­chen Ver­hal­tens, denn Füh­rung beruht mehr auf Nach­ah­mung als auf Unter­ord­nung. Wir kön­nen uns viel Wider­stand, Kampf und Leid im täg­li­chen Mit­ein­an­der in Orga­ni­sa­tio­nen und Fami­lie erspa­ren, wenn wir selbst authen­tisch den Wan­del ver­kör­per­ten, den wir uns für unser Umfeld wün­schen. Nur wer sich selbst der­art auf­rich­tig füh­ren kann, kann ande­re durch sein Vor­bild füh­ren. Wir füh­ren mit Inte­gri­tät statt Charisma.

What you are speaks so loud­ly, I can’t hear what you are saying.

Ralph Wal­do Emerson

Führung weckt Hoffnung.

Gute Füh­rung bedeu­tet, hoff­nungs­voll an sei­ne Arbeit zu gehen und Hoff­nung bei den Mit­ar­bei­tern zu wecken. Dazu müs­sen unse­re inne­ren Bil­der eine Spra­che der Hoff­nung spre­chen. Das Leben als Kampf und die Arbeit als unver­meid­li­ches Hams­ter­rad und läs­ti­ges Übel zu sehen, weckt wenig Hoff­nung. Das Leben hin­ge­gen als Wun­der oder auch als Spiel zu sehen und die Arbeit als einen Ort der Begeg­nung und der indi­vi­du­el­len Ent­wick­lung hat deut­lich mehr Hoffnungspotential.

Habe Hoff­nun­gen, aber habe nie­mals Erwar­tun­gen. Dann erlebst du viel­leicht Wun­der, aber nie­mals Enttäuschungen.

Franz von Assisi


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