Projektcoaching (19): Informationsfluss

Selt­sa­me neue Welt: auf Face­book und Twit­ter erfah­ren wir stän­dig mehr oder weni­ger Belang­lo­ses über Men­schen die wir mehr oder weni­ger gut ken­nen und im Pro­jekt kom­mu­ni­zie­ren wir auf dem kleins­tem gemein­sa­men Nen­ner: Datei­ab­la­ge, E‑Mail und Tele­fon. Ein Glück, dass wir wenigs­tens das Fax schon abge­schafft haben. Auch ganz ohne Iro­nie: den Infor­ma­ti­ons­fluss in einem Pro­jekt — IT-Pro­jek­te sind da lei­der auch kei­ne Aus­nah­me — als sub­op­ti­mal zu bezeich­nen ist meist nur ein manage­ment­taug­li­cher Euphe­mis­mus. Wie im letz­ten Arti­kel beschrie­ben, macht sich der Pro­jekt­ma­na­ger oft selbst zum Fla­schen­hals durch den jeg­li­che Infor­ma­ti­on im Pro­jekt flie­ßen muss. Die Inbox des Pro­jekt­ma­na­gers ist dann Wis­sens­ba­sis und Infor­ma­ti­ons­dreh­schei­be zugleich. Und der Pro­jekt­ma­na­ger der Hams­ter, der das Rad zur Ver­tei­lung der Infor­ma­ti­on unab­läs­sig wei­ter dre­hen muss. Jeder bekommt eben das Pro­jekt, das er verdient.

Weil die Leu­te aber auch so unselb­stän­dig sind!“ heißt es dann. Oder: „Die reden ein­fach nicht mit­ein­an­der!“ So sehr einer­seits dar­über geklagt wird, so gut fühlt es sich ande­rer­seits an: ohne den Pro­jekt­ma­na­ger geht nichts; er hält die Fäden in der Hand. Ein wenig heroi­sche Füh­rungs­kraft steckt doch in uns allen, oder? Nicht dass wir es nicht bes­ser wüss­ten: schö­ne Reden gibt es vie­le. Immer wie­der wird das Team, sei­ne Selbst­or­ga­ni­sa­ti­on und die post-heroi­sche, die­nen­de Füh­rungs­kraft beschwo­ren. Aber in der Pra­xis stol­pern wir dann doch immer wie­der über unser Ego, das den Wis­sens­vor­sprung braucht wie ein Droge.

Mal ehr­lich: was bleibt mir denn als Pro­jekt­ma­na­ger wenn ich die­sen Wis­sens­vor­sprung auch noch auf­ge­be? Die Zei­ten des gebil­de­te­ren Mana­gers, ohne den der Arbei­ter sei­ne Tätig­keit nicht oder nicht opti­mal ver­rich­ten konn­te sind end­gül­tig vor­bei (vgl. Vor­trag und Video des IF-Forum Mensch und Manage­ment). Die Mit­ar­bei­ter im Team sind alle­samt Exper­ten, die viel mehr von ihrem jewei­li­gen Auf­ga­ben­ge­biet ver­ste­hen als der Pro­jekt­ma­na­ger. So klam­mern wir uns an die­sen letz­ten Stroh­halm falsch ver­stan­de­ner Füh­rung und ver­su­chen die lieb­ge­won­ne­ne Kluft zwi­schen höher gestell­tem Mana­ger und dem anzu­lei­ten­den Arbei­ter künst­lich durch Ver­knap­pung von Infor­ma­ti­on auf­recht zu erhal­ten. Scha­de, denn „Infor­ma­ti­on wird wert­vol­ler je mehr Men­schen sie besit­zen.“ (Peter F. Drucker)

Es ist gar nicht die Auf­ga­be des Pro­jekt­ma­na­gers selbst den Ver­tei­ler zu spie­len. Das ist eine mög­li­che, aber bei wei­tem nicht die bes­te Lösung der eigent­li­chen Auf­ga­be, näm­lich Struk­tu­ren und Abläu­fe zu schaf­fen, die den Infor­ma­ti­ons­fluss gewähr­leis­ten damit das Team arbei­ten kann. In die­sen Struk­tu­ren spielt der Pro­jekt­ma­na­ger natür­lich eine Rol­le, aber eben nicht die zen­tra­le. Das Pro­blem sind auch nicht die Werk­zeu­ge. Davon haben wir längst mehr als genug: E‑Mail, Wikis, Micro­blog­ging, etc. Das Pro­blem ist der feh­len­de Wil­le sich über­flüs­sig zu machen — oder jeden­falls klei­ner als dem eige­nen Ego lieb ist. Dumm nur, dass zum Reflek­tie­ren der eige­nen Rol­le im Hams­ter­rad der sub­op­ti­ma­len Struk­tu­ren kei­ne Zeit bleibt: so vie­le E‑Mails, so vie­le Anru­fe, so vie­le Mee­tings, etc. Die Säge bleibt lei­der stumpf.

If I had eight hours to chop down a tree, I’d spend six hours shar­pe­ning my ax (Abra­ham Lincoln)

Vorangegangene Teile der Serie Projektcoaching

Bildnachweis

Das Arti­kel­bild wur­de von Allie_Caulfield unter dem Titel „2007 – 07-28 08 – 04 Paris, Nor­man­die 0909 Mont St. Michel“ auf Flickr ver­öf­fent­licht (Bestimm­te Rech­te vor­be­hal­ten).

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Von Marcus Raitner

Hi, ich bin Marcus. Ich bin der festen Überzeugung, dass Elefanten tanzen können. Daher begleite ich Organisationen auf ihrem Weg zu mehr Agilität. Über die Themen Führung, Digitalisierung, Neue Arbeit, Agilität und vieles mehr schreibe ich seit 2010 in diesem Blog. Mehr über mich.

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